Ein Kapitän von 15 Jahren
Vorwärts, Kamerad!«
Harris und Negoro erhoben sich, als das Geräusch, das die Aufmerksamkeit des Portugiesen schon einmal erregt hatte, sich von Neuem hören ließ. Es rührte von einer Bewegung der Stengel in den hohen Papyrusstauden her.
Negoro stand still und ergriff Harris’ Hand.
Plötzlich ließ sich ein verhaltenes Knurren vernehmen. An dem schrägen Bachesufer erschien, zum Sprunge bereit, ein Hund mit geöffneter Schnauze.
»Dingo! rief Harris.
– Ah, diesmal soll er mir nicht davon kommen!« antwortete Negoro.
Dingo verschwand zwischen der Doppelwand von Büschen. (S. 247.)
Eben wollte sich Dingo auf ihn stürzen, als Negoro, der Harris’ Gewehr ergriffen hatte, schnell anlegte und Feuer gab.
Ein langes, schmerzliches Geheul antwortete dem Krachen des Schusses und Dingo verschwand zwischen der Doppelwand von Büschen am Ufer des Baches.
»Ihr habt das Brüllen gehört?« (S. 252.)
Negoro eilte sofort nach jener Stelle.
An den Papyrusstengeln zeigten sich einzelne Blutflecken und eine lange röthliche Spur verlief über die Kiesel des Baches.
»Endlich hat das verdammte Thier seine Rechnung bezahlt bekommen!« rief Negoro.
Ohne ein Wort zu sprechen, hatte Harris dem ganzen Vorgange beigewohnt.
»Alle Kuckuck, Negoro, sagte er, der Hund schien es ganz besonders auf Dich abgesehen zu haben?
– So scheint es, Harris, doch letzt hat er seinen Theil.
– Und warum hegte er einen solchen Haß gegen Dich, Kamerad?
– O, das rührt noch von einer alten Geschichte zwischen ihm und mir her.
– Von einer alten Geschichte?…« wiederholte Harris.
Negoro gab keine weitere Antwort und Harris schloß daraus, daß ihm der Portugiese irgend einen Vorfall aus der Vergangenheit verheimlicht habe; doch ließ er die Sache ruhen.
Wenige Minuten später wandten sich Beide von dem Bette des Baches weg quer durch den Wald nach der Coanza.
Drittes Capitel.
Unterwegs.
Afrika! Dieser unter den gegebenen Umständen so entsetzliche Name, der von nun an an die Stelle des Namens Amerika zu treten hatte, verschwand keinen Augenblick aus den Augen Dick Sand’s. Versetzte sich der junge Leichtmatrose im Geiste um einige Wochen zurück, so legte er sich nur die Frage vor, wie der »Pilgrim« habe dazu gelangen können, diese gefährliche Küste anzulaufen, wie er das Cap Horn umsegelt und von einem Ocean in den anderen gerathen sei? Jetzt freilich erklärte er sich wenigstens den Umstand, daß sich trotz der Schnelligkeit seines Schiffes immer kein Land habe zeigen wollen, da sich die Wegeslänge bis zur Küste Amerikas ohne sein Wissen nahezu verdoppelt hatte.
»Afrika! Afrika!« wiederholte Dick Sand noch immer.
Da kam ihm plötzlich, während er mit zäher Willenskraft die Ereignisse dieser unerklärlichen Ueberfahrt an seinem inneren Auge vorüberziehen ließ, der Gedanke, daß sein Compaß falsch gewiesen haben müsse. Er erinnerte sich auch, daß der eine Compaß zerbrach, daß die Logleine zerriß und ihm die Möglichkeit genommen wurde, die Schnelligkeit des Schiffes zu beurtheilen.
»Ja, ja! dachte er, es blieb nur noch ein Compaß übrig, dessen Angaben ich nicht zu controliren vermochte!.. Und in einer Nacht ward ich durch einen Schrei des alten Tom erweckt… Negoro befand sich gleichzeitig auf dem Hinterdeck… er war auf das Compaßhäuschen gefallen… konnte dadurch nicht eine Störung hervorgerufen werden?…«
In Dick Sand’s Geiste dämmerte es allmälig. Die Wahrheit lag für ihn auf der Hand. Er begriff endlich die ganze Zweideutigkeit in Negoro’s Benehmen; er erkannte seine Hand in jener ganzen Reihe von Unfällen, welche den Verlust des »Pilgrim« herbeigeführt, und Die, welche er trug, in so gefährliche Lage geführt hatten.
Für was aber sollte er jenen elenden Wicht halten? War er ein Seemann, was er doch stets zu verheimlichen suchte? War er wirklich im Stande, die fluchwürdigen Maßnahmen zu berechnen und auszuführen, welche das Schiff nach der Küste Afrikas treiben mußten?
Verhüllte die Vergangenheit aber auch noch einige dunkle Punkte, bezüglich der Gegenwart konnte davon gewiß keine Rede sein. Der junge Leichtmatrose wußte nur zu gut, daß er sich in Afrika befinde und höchst wahrscheinlich in der gefährlichen Provinz Angola, mehr als hundert Meilen weit von der Küste. Auch daß Harris die Rolle des Verräthers gespielt, unterlag bei ihm keinem Zweifel. Dann führte aber auch die einfache Logik zu der weiteren Schlußfolgerung, daß der
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