Ein Kapitän von 15 Jahren
ich es also vor, incognito zu reisen.
– Und ohne für die Ueberfahrt zu bezahlen! rief Harris lachend. Ei, ei, Kamerad, das ist nicht honett, sich gratis transportiren und füttern zu lassen!
– Mag sein, bestätigte Negoro, aber eine Reise von dreißig Tagen in einem Schiffsraume macht Vieles quitt!
– Na, jedenfalls ist’s nun einmal geschehen, Negoro. Du bist also nach Neu-Seeland, in das Land der Maoris gereist. Doch, Du kehrtest auch zurück; geschah das wohl unter denselben Verhältnissen?
– Ei nein, Harris, Du meinst wohl, ich habe da unten nur den einen Gedanken gehabt, nach Angola zurückzukehren und mein Metier als Sklavenhändler wieder aufzunehmen?
– Gewiß, antwortete Harris, man liebt sein Handwerk, so aus Gewohnheit!
– Achtzehn Monate lang…«
Kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen, als Negoro plötzlich innehielt. Er hatte den Arm seines Gefährten ergriffen und lauschte.
»Harris, sagte er mit gedämpfter Stimme, kommt Dir’s nicht vor, als bewegte sich dort etwas in den Papyrus?
»Es ist nichts!« erklärte Harris bald darauf. (S. 241.)
– Wahrhaftig!« bestätigte Harris, der sein Gewehr ergriff und sich schußfertig machte.
Negoro und er erhoben sich, schauten rings umher und lauschten mit gespanntester Aufmerksamkeit.
»Es ist nichts, erklärte Harris bald darauf. Der Bach ist in Folge des letzten Gewitters angeschwollen und fließt jetzt mit lauterem Rauschen dahin. Binnen zwei Jahren, Kamerad, hast Du die Sprache der Wälder verlernt; wirst Dich schon wieder daran gewöhnen. Erzähle Deine Abenteuer ruhig weiter. Wenn ich Deine Vergangenheit kennen gelernt, wollen wir über die Zukunft sprechen!«
Negoro und Harris hatten sich am Fuße der Banane wieder niedergesetzt. Der Portugiese fuhr also fort:
»Achtzehn Monate lang vegetirte ich in Auckland. Nach Ankunft des Dampfers konnte ich unbemerkt von Bord gehen; aber keinen Piaster, keinen Dollar in der Tasche! Um leben zu können, mußte ich jedes Geschäft ergreifen…
– Auch das eines ehrlichen Mannes, Negoro?
– Wie Du sagst, Harris.
– Armer Junge!
– Ich wartete dabei immer auf eine Reisegelegenheit, welche doch gar nicht kommen wollte, bis der Walfischfänger, der »Pilgrim«, im Hafen von Auckland einlief.
– Derselbe, der an der Küste von Angola auffuhr?
– Derselbe, Harris, und auf dem gleichzeitig Mrs. Weldon, ihr Kind und ihr Vetter überfahren wollten. Als gefahrener Seemann, denn ich war ja selbst einmal zweiter Officier an Bord eines Sklavenschiffes, brachte es mich nicht in Verlegenheit, auf einem Fahrzeuge Dienst zu nehmen. Ich stellte mich demnach dem Kapitän des »Pilgrim« vor, dessen Mannschaft freilich schon complet war. Zu meinem Glücke hatte sich der Koch der Brigg-Goëlette heimlich davon gemacht. Einen Seemann, der nicht in der Küche Bescheid wüßte, giebt es bekanntlich nicht. Ich bot mich also als Schiffskoch an. In Ermangelung eines Besseren wurde ich als solcher angestellt und wenige Tage darauf schon hatte der »Pilgrim« Neu-Seeland außer Sicht verloren.
– Nach dem aber, warf Harris ein, was mein junger Freund gelegentlich erzählte, segelte der »Pilgrim« keineswegs nach der Küste von Afrika. Wie kam er nun hierher?
– Das wird Dick Sand freilich noch nicht durchschaut haben und es voraussichtlich niemals einsehen, antwortete Negoro; Dir, Harris, will ich’s jedoch erklären, und wenn Dir’s Vergnügen macht, kannst Du es Deinem jungen Freunde ja einmal wieder mittheilen.
– Also wie? fragte Harris noch einmal, erzähle, Kamerad!
– Der »Pilgrim«, begann Negoro, steuerte auf Valparaiso. Als ich mich einschiffte, dachte ich auch nur, dadurch bis Chile zu gelangen. Das war immerhin die gute Hälfte des Weges von Neu-Seeland nach Angola und ich näherte mich damit der Küste Afrikas ja um mehrere tausend Meilen. Da traf es sich, daß Kapitän Hull, der Befehlshaber des »Pilgrim«, drei Wochen nach der Abfahrt von Auckland bei Gelegenheit einer Walfischjagd mit der ganzen Mannschaft zu Grunde ging! Seitdem befanden sich nur noch zwei eigentliche Seeleute an Bord, der Leichtmatrose und der Koch Negoro.
– Und Du übernahmst die Führung des Schiffes? fragte Harris.
– Daran dachte ich wohl im ersten Augenblick, doch ich sah, daß man mir nicht traute. An Bord befanden sich nämlich auch fünf stämmige, freie Neger. Ich hätte mich nicht als Befehlshaber behaupten können und blieb nach reiflicher Ueberlegung, was ich vorher gewesen,
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