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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Amerikaner und der Portugiese sich längst schon kannten, daß sie ein unseliger Zufall hier an der Küste zusammengeführt, und daß zwischen ihnen ein Plan verabredet worden sei, der für die Schiffbrüchigen des »Pilgrim« offenbar von den verderblichsten Folgen sein mußte.
    Welches Motiv jedoch lag dieser häßlichen Handlungsweise zu Grunde? Daß Negoro sich mit List oder Gewalt Tom’s und seiner Genossen bemächtigen wollte, um diese als Sklaven zu verkaufen, konnte man wohl annehmen. Daß der Portugiese, von dem Gefühle des Hasses getrieben, sich an ihm, Dick Sand, der ihn nach Verdienst behandelt hatte, rächen wollte, war vielleicht auch zu begreifen. Was beabsichtigte der Elende aber mit Mrs. Weldon, mit der Mutter und deren unschuldigem Kinder
    Hätte Dick Sand jenem Gespräche zwischen Harris und Negoro lauschen können, er würde gewußt haben, was jetzt drohte, welchen Gefahren Mrs. Weldon, die Neger und er selbst entgegengingen!
    Gewiß, die Lage war entsetzlich, den jungen Leichtmatrosen lähmte sie nicht. Kapitän an Bord, wollte er auch Kapitän am Lande bleiben. Ihm lag die Pflicht ob, Mrs. Weldon, den kleinen Jack, alle Diejenigen, deren Loos der Himmel in seine Hand gegeben, zu erretten. Jetzt fing seine schwerere Aufgabe wirklich erst an. Er wollte und mußte sie zu Ende führen!
    Nach zwei oder drei Stunden, während welchen er die guten und die schlechten Aussichten der Gegenwart und Zukunft gegen einander abwog – wobei freilich die schlechten ein großes Uebergewicht zeigten – erhob sich Dick Sand fest und entschlossen.
    Die ersten Morgenstrahlen vergoldeten eben die hohen Gipfel der Bäume. Mit Ausnahme Tom’s und des Leichtmatrosen lagen Alle noch in tiefem Schlafe.
    Dick Sand näherte sich dem alten Neger.
    »Tom, begann er mit leiser Stimme, Ihr habt das Brüllen des Löwen gehört, habt die Werkzeuge eines Sklavenhändlers gefunden und erkannt, Ihr wißt, daß wir in Afrika sind?
    – Ja, Herr Dick, das weiß ich.
    – Nun gut, Tom; kein Wort hierüber! – weder gegen Mistreß Weldon noch gegen Eure Gefährten. Wir wollen diese Kenntniß für uns allein behalten, allein fürchten, was zu fürchten ist!…
    – Allein… freilich… das ist nothwendig!… antwortete Tom.
    – Tom, fuhr der Leichtmatrose fort, wir haben nun strenger zu wachen denn je. Wir sind im feindlichen Lande – und welche Feinde, welches Land! Es genügt, unseren Begleitern mitzutheilen, daß wir von Harris verrathen wurden, um sie zu warnen, auf ihrer Hut zu sein. Sie werden glauben, es drohe uns ein Angriff nomadisirender Indianer, das wird genügen.
    – Sie können unbedingt auf ihren Muth und ihre Ergebenheit zählen, Herr Dick.
    – Ich weiß es, ebenso wie ich auf Euren gesunden Verstand und Eure Erfahrung rechne. Ihr werdet mich doch unterstützen, mein alter Tom?
    – Stets und in Allem, Herr Dick«’
    Dick Sand’s Entschluß war gefaßt und fand die Zustimmung des alten Negers. Da Harris’ Verrath sofort, bevor noch die Stunde des Handelns gekommen, entdeckt wurde, so bedrohte den jungen Leichtmatrosen und seine Begleiter wenigstens keine augenblickliche Gefahr. Allem Anscheine nach hatte die Auffindung der von einigen Sklaven zurückgelassenen Eisen, sowie das unerwartete Gebrüll des Löwen das plötzliche Verschwinden des Amerikaners veranlaßt. Er hatte sich entdeckt gefühlt und war entflohen, wahrscheinlich bevor die kleine Gesellschaft, welche er in die Wildniß führte, die Stelle erreicht hatte, wo man sich ihrer bemächtigen wollte. Negoro, dessen Nähe Dingo während der letzten Reisetage offenbar gewittert hatte, mochte nun wohl mit Harris zur Berathschlagung weiterer Maßregeln zusammengetroffen sein. Jedenfalls vergingen einige Stunden, ehe Dick Sand und die Seinen eine Ueberrumpelung zu befürchten hatten, und diese galt es zu benutzen.
    Der einzig in Frage kommende Plan lief darauf hinaus, so schnell als möglich die Küste wieder zu erreichen. Der junge Mann hatte allen Grund, anzunehmen, daß diese Küste die von Angola sei. Nach Erreichung derselben wollte Dick Sand nach Norden oder Süden ziehen, um eine portugiesische Ansiedlung zu treffen, in der seine Begleiter irgend eine Gelegenheit zur Rückkehr nach der Heimat in Ruhe und Sicherheit abwarten könnten.
    Sollte man aber zur Rückreise nach der Küste den auf dem Herwege benutzten Weg einschlagen? Dick Sand dachte daran gar nicht, und hierin begegnete er Harris’ Muthmaßungen, der recht wohl vorausgesehen hatte, daß

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