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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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besitzen, darf keiner jener Reisenden nach Europa zurückkehren, um dort indiscreter Weise zu berichten, was er in Afrika gesehen hat!«
    Glaubt man nicht, wenn man diese Schurken so reden hört, die Verhandlungen achtbarer Kaufleute zu vernehmen, deren Thätigkeit eine Handelskrise für den Augenblick bedroht und lahm legt? Wer kommt auf den Gedanken, daß es sich hier statt um Kaffeeballen und Zuckerfässer um den Export menschlicher Wesen handelt? Für Recht und Unrecht haben diese Sklavenhändler kein Gefühl. Die Moral fehlt ihnen ganz und gar, und besäßen sie solche zuerst wirklich, inmitten der teuflischen Grausamkeiten des afrikanischen Negerhandels ginge sie ihnen doch schnell und unmerklich verloren.
    Darin allerdings hatte Harris Recht, daß die Civilisation dem Fuße jener kühnen Pionniere, deren Namen unaufhörlich mit der Geschichte der Erforschung des äquatorialen Afrika verwebt sind, langsam, aber stetig nachfolgt. Voran David Livingstone, nach ihm Grant, Speke, Vogel, Burton, Cameron, Stanley – Alle hinterlassen den unvergänglichsten Nachruhm als opferfreudige Wohlthäter der Menschheit.
    Harris kannte jetzt die letzten zwei Jahre aus dem Leben Negoro’s. Der langjährige Agent des Sklavenhändlers Alvez, der Flüchtling aus dem Bagno von Loanda, erschien noch ganz ebenso, wie er sich früher gezeigt, d.h. bereit und entschlossen zu Allem. Noch wußte Harris jedoch nicht, was Negoro mit den Schiffbrüchigen vom »Pilgrim« im Sinne hatte und fragte ihn deshalb darüber.
    »Was denkst Du nun, sagte er, mit jenen Leuten zu beginnen?
    – Ich trenne sie zunächst in zwei Theile, antwortete Negoro im Tone eines Mannes, dessen Plan schon lange im Kopfe fertig ist, erstens diejenigen, welche als Sklaven verkauft werden sollen, und die…«
    Der Portugiese vollendete seinen Satz zwar nicht, doch seine trotzig wilde Physiognomie sprach für ihn deutlich genug.
    »Welche von jenen denkst Du zu verkaufen? fragte Harris.
    – Natürlich die Neger, welche Mistreß Weldon begleiten, erklärte Negoro. Der alte Tom hat vielleicht keinen großen Werth, die anderen Bier aber sind stämmige Burschen, aus denen auf dem Markte zu Kazonnde ein gut Stück Geld herauszuschlagen ist.
    – Das will ich glauben, Negoro! stimmte Harris bei, das sind ja vier wohlgebaute, an Arbeit gewöhnte Neger, welche sich von dem aus dem Inneren kommenden – Vieh recht vortheilhaft unterscheiden. Gewiß, diese wirst Du theuer verkaufen. In Amerika geborne und nach dem Markte von Kazonnde abgeführte Sklaven sind eine seltene Waare! – Doch, setzte der Amerikaner hinzu, Du sagtest mir noch gar nicht, ob sich an Bord des »Pilgrim« nicht auch einiges Geld vorfand?
    – O, nur wenige hundert Dollars, die ich zu retten vermochte. Zum Glück rechne ich auf gewisse Einkünfte…
    – Und welche denn, Kamerad? fragte Harris neugierig.
    – Ah, nichts… nichts! antwortete Negoro, der schon zu bedauern schien, daß er mehr, als ihm lieb war, gesprochen hatte.
    – Es bleibt also unsere nächste Aufgabe, diese ganze Waare für möglichst hohen Preis abzusetzen, sagte Harris.
    – Sollte das so schwer sein? fragte Negoro.
    – Nein, Kamerad. An der Coanza, nur zehn Meilen von hier, lagert eine von dem Araber Ibn Hamis geführte Sklaven-Karawane, welche nur meine Rückkehr abwartet, um nach Kazonnde aufzubrechen. Dort befinden sich mehr eingeborne Soldaten, als zur Gefangennahme Dick Sand’s und seiner Genossen nöthig sind. Dazu gehörte also nur, daß mein junger Freund auf den Gedanken käme, sich nach der Coanza zu wenden…
    – Wird das aber der Fall sein? fragte Negoro.
    – Gewiß, behauptete Harris, da er intelligent ist und die ihm hier drohende Gefahr nicht argwöhnen kann. Dick Sand kann gar nicht daran denken, auf dem von uns gemeinschaftlich verfolgten Wege zurückzukehren; er müßte sich inmitten jener unbegrenzten Wälder verirren. Ohne Zweifel wird er also einen nach der Küste zu strömenden Fluß zu erreichen und auf diesem mittelst Flosses abwärts zu fahren versuchen. Er kann keinen anderen Ausweg ergreifen, er wird es thun.
    – Ja… vielleicht!… meinte Negoro nachdenklich.
    – Nicht »vielleicht«, »bestimmt« mußt Du sagen, erwiderte Harris. Siehst Du, Negoro, das liegt Alles so, als hätte ich mit meinem jungen Freunde am Ufer der Coanza ein Stelldichein verabredet.
    – Gut denn, antwortete Negoro, brechen wir also auf! Ich kenne Dick Sand. Er wird keine Stunde zögern; wir müssen ihm zuvorkommen.
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