Ein Kater in geheimer Mission - Winston: [1]
Regenwürmer sehr beweglich sind.« Sie lächelt scheu, der Mann grinst. Ich kenne mich mit Regenwürmern und Biologie nicht so gut aus, aber selbst für meine Katerohren klingt das wie eine ziemlich blöde Ausrede. Hoffentlich schluckt Herr Prätorius sie und ich darf hierbleiben. So richtig beeindruckt sieht Leonie nämlich noch nicht aus. Ich schätze, da muss ich noch ein wenig Gas geben.
»Tja, Kira, das ist zwar ein etwas sonderbarer Einfall, aber kein schlechter. Vielleicht habt ihr euch nach dem letzten Test wirklich mal eine Unterrichtsstunde mit lebendigem Anschauungsmaterial verdient.« Anschauungsmaterial? He, ich heiße Winston Churchill – ich bin doch kein Material! »Dann komm mal mit deiner Katze nach vorne, Kira!«
Kira krault mich hinter den Ohren und beugt sich über mich.
»Siehst du«, flüstert sie mir zu, »hab ich dir doch gesagt – der Prätorius ist wirklich total nett!« Sie geht mit mir nach vorn und setzt mich auf den Tisch, hinter dem ihr Lehrer steht.
»Danke, Kira. So, liebe 7c, nachdem wir uns in den letzten Stunden ja recht ausführlich mit wirbellosen Tieren beschäftigt haben, hat uns Kira heute ein Wirbeltier mitgebracht, nämlich ihre Katze. Ein schönes Exemplar. Kira, willst du uns etwas zu deinem kleinen Freund hier erzählen?« Kira nickt.
»Ja, also das ist Winston Churchill. Er ist ein Kater. Britisch Kurzhaar. Wie der Name schon sagt, kommt die Rasse aus England. Sie wird seit über hundert Jahren gezüchtet. Winston ist also sehr edel.«
»Nun gib mal nicht so an!«, ruft Leonie dazwischen.
»Genau!«, stimmt ihr das Mädchen zu, das wir heute Morgen schon getroffen haben. Emilia, oder wie die hieß. Gehört offenbar zu Leonies Fanclub. Jetzt mischt sich der Junge mit der Brille ein.
»Also, ich finde das sehr interessant. Ist doch toll, dass Winston hier ist. Ich mag Katzen!«
»Ja, Tom, ich auch«, stimmt ihm Herr Prätorius zu. »Und weil das so ist, frage ich euch: Weiß denn jemand, wie lange der Mensch schon Katzen als Haustiere hält?«
Schweigen. Nicht mal die oberschlaue Leonie sagt etwas.
»Der Mensch hält Katzen schon seit ungefähr zehntausend Jahren als Haustiere«, erklärt Prätorius. »Ganz schön lang, was?« Schätze, da hat er recht. Ich kenne mich zwar mit der menschlichen Zeit nicht so aus, aber zehntausend Jahre klingen ziemlich lang. Schätze, in zehntausend Jahren sitze ich längst auf einer Wolke im Katzenhimmel.
»Die ältesten Knochenfunde von den Vorfahren der Katzen sind sogar schon dreißig Millionen Jahre alt. Dein Winston hier hat also eine ganz schön alte Sippe. Steinalt gewissermaßen«, erzählt Prätorius weiter.
Ein Mädchen meldet sich.
»Dürfen wir Winston mal streicheln?«
»Oh ja, bitte, Kira – dürfen wir ihn mal streicheln?« Kira nickt.
»Klar, aber vielleicht einzeln und nacheinander. Nicht, dass Winston noch Angst bekommt.« Sofort bildet sich eine Schlange von neugierigen Mädchen und Jungen. Hrrr, normalerweise ist das überhaupt nicht mein Fall, aber wenn es dazu führt, dass Kira hier neue Freunde findet, dann opfere ich mich gern. Und tatsächlich sieht Kira so aus, als wäre sie seit Beginn der Schulstunde um ein paar Zentimeter gewachsen. Sehr gut! Mein Plan geht auf! Geduldig bleibe ich also auf dem Tisch hocken, während mich ein fremdes Kind nach dem nächsten krault.
Auf einmal steht Leonie vor mir und streckt die Hand nach mir aus. Dabei ist mir ausgesprochen unwohl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mich einfach nur ganz lieb streicheln will. Zumal mir ein Blick in ihr Gesicht verrät, dass sie sich unglaublich über die viele Aufmerksamkeit ärgert, die Kira nun bekommt. Aber egal – soll sie mich eben auch streicheln. Was kann sie dabei schon Böses anstellen?
Kaum hat sie mich berührt, zieht Leonie auf einmal ihre Hand zurück, als hätte sie ein Stromschlag getroffen. Dann beginnt sie zu keuchen.
»Hilfe!«, krächzt sie dramatisch. »Hilfe! Ich bekomme keine Luft mehr!« Sie wankt einen Schritt zurück und lässt sich direkt in die Arme des völlig überraschten Herrn Prätorius fallen.
»Oh mein Gott! Schnell, Kira, pack deine Katze wieder ein!«, ruft er. »Ich fürchte, die arme Leonie hat einen allergischen Schock erlitten! Schnell!«
Kira braucht einen Moment, um sich aus der Schreckstarre zu lösen, dann packt sie mich und rennt mit mir zu ihrem Tisch. Keine zwei Sekunden später stecke ich völlig verdattert wieder in der dunklen Tasche.
Wer oder was auch immer ein
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