Ein Kater in geheimer Mission - Winston: [1]
darf. Das ist bestimmt gegen die Regeln.« Pah! Regeln sind etwas für Feiglinge – und nichts für Katzen! Wir müssen es der fiesen Leonie zeigen! Da können wir uns mit solchen Kleinigkeiten wie den Schulregeln nicht lange aufhalten.
Ich klebe mittlerweile förmlich an Kiras Beinen. Sie kichert, bückt sich und hebt mich hoch.
»Okay, Winston. Ich nehme dich mit. Aber du musst mir versprechen, dich eins a zu benehmen. Noch mehr Ärger kann ich momentan überhaupt nicht gebrauchen. Klar?«
Klar wie Kloßbrühe. Ich maunze laut.
»Gut. Dann komm mit!«
Hurra! Auf zu den Ziegen!
Ein seltsamer Ort namens Schule.
Oder: Wie ich den halben Tag in einer Umhängetasche verbrachte.
Das Gebäude ist riesig. RIESIG. Also, ich dachte immer, unser Haus sei groß. Doch dieses hier übertrifft alles, was ich jemals gesehen habe. Gut, das ist nicht besonders viel, aber trotzdem! Wow! Ein gigantisches weißes Haus mit einer großen Eingangstür und einem Turm. Fast wie ein Schloss! Ich bin tief beeindruckt. Ob alle Schulen so aussehen? Irgendwie wird mir gerade ein bisschen unheimlich und ich muss mich sehr beherrschen, um mich nicht in Kiras Arme zu krallen.
Reiß dich zusammen, Winston!, fauche ich mir selbst zu. Du willst hier schließlich ein paar Ziegen beeindrucken – als verschüchtertes Schmusekätzchen wird das kaum gehen! Also: Haltung annehmen! Entschlossen straffe ich meinen Rücken und springe von Kiras Arm – direkt vor die Füße eines anderen Mädchens, das gleichzeitig mit uns ankommt.
»Morgen, Kira! Hast du etwa eine Katze mitgebracht?«
»Hallo, Emilia. Nein, das ist ein Hund.«
»Hä?« Das Mädchen guckt Kira völlig verständnislos an.
»Mann, Emilia: Das war ein Scherz. Natürlich ist das eine Katze! Sieht man doch. Genau genommen ist Winston ein sehr edler Rassekater.«
Das Mädchen schüttelt seinen blondgelockten Kopf.
»Kira, man darf keine Tiere mit in die Schule nehmen. In Russland geht das vielleicht, aber hier sicher nicht!«
»Was weißt du schon von Russland!«, erwidert Kira sehr knapp, nimmt mich wieder auf den Arm und stapft die Stufen zur Eingangstür hoch. He, warum auf einmal so schlecht gelaunt? Eben hat Kira sogar noch fröhlich gesummt, jetzt kann ich ihren Ärger förmlich riechen. Versteh ich nicht. Aber vielleicht gehört diese Emilia auch zu den Ziegen und Kira kriegt schon Pickel, wenn sie Emilia nur sieht.
In der Schule sind unglaublich viele Kinder. Gut, das habe ich mir natürlich so vorgestellt, aber diese Horden dann tatsächlich zu sehen, ist etwas völlig anderes. Es ist unglaublich wuselig und vor allem: laut! Einen Moment lang fürchte ich, mir könnten meine sensiblen Öhrchen abfallen. Vielleicht war mein Ausflug doch keine so gute Idee?
Bevor ich noch länger darüber nachdenken kann, ertönt ein schriller Klingelton. Was das wohl bedeutet? Ist das ein Warnsignal? Falls ja, wovor? Kira presst mich etwas enger an sich.
»Komm, Winston, der Unterricht fängt gleich an!«
Sie kniet sich hin und holt ein paar Bücher aus ihrer Umhängetasche. Dann nimmt sie mich hoch, setzt mich in die entstandene Lücke und schließt die Tasche vorsichtig über meinem Kopf. He! Ich sehe nichts mehr! Und vor allem: Man sieht mich nicht mehr! Wie soll ich denn so auch nur eine einzelne Ziege beeindrucken? Lautstark protestiere ich. Bellen kann ich zwar nicht, aber wenn ich anfange zu fauchen und zu jaulen, ist das auch nicht ohne. Kira öffnet die Tasche ein Stückchen und lugt hinein.
»Winston, du hast doch versprochen, dich zu benehmen! Also hör auf damit! Ich packe dich doch nur in meine Tasche, damit du nicht gleich rausfliegst. In der nächsten Pause hole ich dich wieder raus. Versprochen!«
Na gut. Sie wird es wissen. Schließlich verbringt sie jeden Tag hier. Ich höre auf zu jaulen und schließe die Augen. Offenbar ist Kira wieder aufgestanden und trägt mich eine Treppe hoch, jedenfalls schaukelt es nun ganz schön. So laut wie eben ist es auch nicht mehr – entweder die Kinder haben sich etwas beruhigt oder ich höre durch den Stoff der Tasche einfach nicht so gut.
Jetzt scheint Kira anzuhalten. Das Schaukeln hört auf und die Tasche wird auf dem Boden abgestellt. Ich glaube, dass Stühle gerückt werden. Dann klappt eine Tür.
»Guten Morgen, 7c!« Eindeutig die Stimme einer erwachsenen Frau. »Guten Morgen, Frau Wettstein!«, antwortet ein ganzer Chor.
»Setzt euch!« Wieder das Stühlerücken. Ein Stuhl scheint mir dabei sehr nahe zu kommen –
Weitere Kostenlose Bücher