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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Erstes Kapitel

    Die zierliche, schmale Frau mit den roten Apfelbäckchen, dem ergrauenden Haar und den klugen, beinah frechen kleinen Augen saß da und drückte die Nase ans Kabinenfenster der Viscount-Maschine, die früh morgens von London nach Paris flog. Wie sich das Flugzeug dröhnend von der Rollbahn in die Lüfte erhob, so schwang sich auch das Herz der Frau empor, voller Seligkeit, endlich auf dem Wege zu jenem Abenteuer zu sein, das ihr ihren Herzenswunsch erfüllen sollte. Sie war aufgeregt, aber keinesfalls ängstlich, denn sie hatte die Gewißheit, daß ihr jetzt nichts mehr zustoßen könne. Ihre Kleidung war recht bescheiden: ein etwas abgetragener brauner Trenchcoat, saubere braune Baumwollhandschuhe und dazu eine braune Plastiktasche, die sie fest unter den Arm geklemmt hielt. Und mit Recht. Denn in dieser Tasche befanden sich nicht nur zehn Einpfundnoten — mehr englisches Geld durfte man nicht von den britischen Inseln ausführen — und die Rückflugkarte nach Paris, sondern außerdem die Summe von vierzehnhundert Dollar in amerikanischer Währung, ein dickes Bündel Fünf-, Zehn- und Zwanzigdollarnoten, von einem Gummiring zusammengehalten. Nur der Hut offenbarte ihre überschwengliche Natur: ein grüner Strohhut, vom mit einer ungeheuren, lächerlichen Rose, die auf einem biegsamen Stiel mal nach links und mal nach rechts schwankte, je nachdem wie die Hand des Piloten den Knüppel bediente, um die Maschine schräg zu legen, um zu kreisen und Höhe zu gewinnen.
    Jede kundige Londoner Hausfrau, die sich schon einmal der Hilfe dieses einzigartigen Typs von stundenweise erscheinenden Reinmachefrauen bedient hat, ja, genaugenommen jeder Engländer hätte sofort gesagt: Und sie hätten recht gehabt.
    In der Passagierliste der Viscount-Maschine war sie als Mrs. Ada Harris eingetragen, Mrs. Ada Harris, Willis Gardens Nr. 5, Battersea, London SW n. Sie selber sprach ihren Namen ‘arris aus und war tatsächlich Reinmachefrau. Sie arbeitete bei Leuten in der Gegend des eleganten Eaton und Belgrave Square.
    Bis zu diesem wunderbaren Augenblick, da sie sich vom Erdboden emporgehoben fühlte, war ihr Leben eine ununterbrochene Plackerei gewesen. Das einzige, was sie sich hin und wieder gönnte, war ein Kinobesuch, ein Glas Bier in der Kneipe an der Ecke’oder ein Abend im Variete. Mrs. Harris, die sich nun den Sechzig näherte, lebte in einer Welt von Schmutz und Unordnung, die kein Ende nahmen. Nicht einmal, nein, ein halb dutzendmal am Tage öffnete sie mit den ihr anvertrauten Schlüsseln die Türen von ungelüfteten Vorplätzen in Häusern oder Etagen und sah sich jedesmal dem gleichen Durcheinander gegenüber: Bergen von schmutzigem Geschirr und fettigen Töpfen im Spülstein, ungemachten Betten, achtlos umhergeworfenen Kleidungsstücken, nassen Handtüchern auf der Erde im Badezimmer, gebrauchten Zahnputzgläsern, bespritzten Spiegeln, schmutziger Wäsche, die zusammengepackt werden mußte, und selbstverständlich überall vollen Aschenbechern auf den staubigen Tischen, kurz, einer Unordnung, wie sie die Ferkel von Menschen zu hinterlassen pflegen, wenn sie morgens die Wohnungstür hinter sich zuschlagen.
    Mrs. Harris räumte alles gründlich auf, weil es ihr Beruf war, eine Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und so Leib und Seele zusammenzuhalten. Und doch, für manche Putzfrauen bedeutet es mehr als nur das, ganz besonders für Mrs. Harris: sie setzte immer wieder ihre ganze Ehre darein, ihre Häuser in Ordnung zu halten. Und es war wirklich eine fruchtbare Leistung, auf die sie stolz sein konnte. Sie kam in wahre Schweineställe, und wenn sie wegging, blitzte und duftete alles vor Sauberkeit und Frische. Daß sie am nächsten Tag wieder in einen Schweinestall kam, störte sie nicht. Sie erhielt ihre drei Schilling die Stunde und räumte die Wohnungen von neuem tadellos auf. So sah das Leben der kleinen Frau aus, die als einer von dreißig ganz verschiedenen Passagieren in der Maschine nach Paris saß.
    Die grün und braun gekästelte Reliefkarte des britischen Bodens glitt unter den Tragflächen des Flugzeugs hinweg und machte plötzlich dem windgekräuselten Blau des Ärmelkanals Platz. Mrs. Harris, die eben noch interessiert die winzigen Spielzeughäuser und — bauernhöfe betrachtet hatte, sah nun die zierlichen Formen von Tankern und Frachtern, die durchs Meer pflügten, und wurde sich zum erstenmal bewußt,

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