Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
selber. Sie vermochte nur dazustehen. Hingerissen, entzückt und bezaubert starrte sie die Kleider an, auf den Mop gestützt, in ihren lächerlichen Schuhen, schmutzig von oben bis unten, Haarsträhnen im Gesicht — die klassische Gestalt der Reinmachefrau.
So fand Lady Dent sie, als sie zufällig aus ihrem Schreibzimmer hereinkam. «Oh!» rief sie, «meine Kleider!» Und dann, als sie Mrs. Harris’ Stellung und den Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte:
«Gefallen sie Ihnen? Ich weiß noch gar nicht, welches ich heute abend anziehen soll.»
Mrs. Harris kam es kaum zum Bewußtsein, daß Lady Dent sprach, so sehr war sie noch in Anspruch genommen von diesen lebendigen Schöpfungen aus Seide, Taft und Chiffon in herzerhebenden Farben, gewagtem Schnitt und von einer raffinierten innerlichen Konstruktion gestützt, daß sie fast allein, wie Wesen mit eigenem Leben, zu stehen schienen. «Gott!» seufzte sie schließlich, «sind die aber schön! Ich wette, die waren nicht ganz billig!»
Lady Dent war es nicht gelungen, der Versuchung zu widerstehen, Eindruck auf Mrs. Harris zu machen. Londoner Reinmachefrauen lassen sich nicht so leicht beeindrucken, genaugenommen sind es wohl die am wenigsten beeindruckbaren Leute der Welt. Lady Dent hatte sich immer ein bißchen vor Mrs. Harris gefürchtet und erkannte sofort ihre Chance, einmal über sie triumphieren zu können. Sie lachte ihr sprödes Lachen und sagte: «In gewisser Weise, ja. Dies hier — Ivoire — kostet dreihundertfünfzig Pfund, und das da, das rote — es heißt Hinreißend — kam auf rund vierhundertfünfzig. Ich gehe immer zu Dior. Da weiß man, daß man gut bedient ist.»
«Vierhundertfünfzig Scheine!» erklang Mrs. Harris’ Echo. «Wie kann einer je an so viel Geld kommen!» Die Pariser Mode war ihr nicht unvertraut, denn sie studierte eifrig alte Modenhefte, die ihre Kunden ihr manchmal schenkten, und hatte von Fath, Chanel und Balenciaga, von Carpentier, Lanvin und Dior gehört, und der letzte Name klang nun wie eine Glocke durch ihren schönheitshungrigen Sinn.
Gewiß, sie hatte auf den blanken Seiten von Vogue und Elle schon manche Fotografie von Kleidern in Schwarz-Weiß oder Farbig gesehen. Doch die wirkten unpersönlich und fern wie der Mond und die Sterne. Aber ein solches Kleid — mit jedem geschickten Stich als Augenweide — wirklich vor sich zu haben, es zu berühren, zu riechen, zu lieben und plötzlich brennend zu wünschen, war etwas ganz anderes.
Es war Mrs. Harris gar nicht bewußt geworden, daß sie mit ihrer Erwiderung auf Lady Dents Bemerkung bereits den Entschluß ausgesprochen hatte, ein solches Kleid zu besitzen. Sie hatte nicht gemeint: Sondern: Darauf gab es freilich keine Antwort — oder wenigstens nur eine: Man mußte es gewinnen. Doch da waren die Chancen gleichfalls fern wie die Sterne.
Lady Dent war sehr zufrieden mit dem Eindruck, den sie gemacht zu haben schien. Sie nahm jedes der Kleider vom Bügel und hielt es in die Höhe, damit Mrs. Harris eine Vorstellung von der Wirkung erhielt. Und da die Hände der Scheuerfrau von dem Seifenwasser, in dem sie meist steckten, sauber waren, erlaubte sie ihr — wie es das kleine Aschenbrödel tim durfte — , den Stoff anzufassen, als wäre es der Heilige Gral. «Wie reizend!» flüsterte sie wieder. Lady Dent wußte nicht, daß sich Mrs. Harris in diesem Augenblick dazu durchgerungen hatte, das zu besitzen, was sie sich heißer wünschte als alles andere auf Erden: ein Kleid von Dior, das ihr gehörte und in ihrem Schrank hing.
Herablassend und recht zufrieden mit sich selber schloß Lady Dent die Tür des Kleiderschrankes, aber damit war aus Mrs. Harris’ Geist das noch nicht ausgesperrt, was sie in diesem Schrank gesehen hatte: die Schönheit und Vollendung — das Letzte an Schmuck, was eine Frau sich wünschen konnte. Mrs. Harris war nicht weniger Frau als Lady Dent oder irgendeine andere. Sie begehrte... sie begehrte ein Kleid aus dem teuersten Atelier der Welt, ein Kleid von Dior in Paris.
Mrs. Harris war nicht dumm. Sie kam nicht etwa auf die Idee, daß sie eine solche Toilette jemals in der Öffentlichkeit tragen könnte. Denn wenn es eins gab, worüber sie sich klar war, dann war es das, was sich ihrer Stellung entsprechend für sie schickte. Daran hielt sie sich, und wehe dem, der ihr etwas anderes zugemutet hätte! Ihre Stellung war eine Welt unablässiger Plackerei, die nur
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