Ein König für Deutschland
Auszählung aus und werden sehen, dass drei Stimmen für Tarzan abgegeben wurden und keine für Cheetah. Anschließend gebe ich den Geheimbefehl ein, wir drucken die Auszählung noch einmal aus und werden das Ergebnis erhalten, dass Cheetah mit zwei zu eins Stimmen gewonnen hat.«
Anschließend, fuhr er fort, würde er anhand des Quellcodes erklären, wie die Funktion realisiert war und anhand welcher Hinweise man die Manipulation aufdecken konnte. Vorausgesetzt, man war im Besitz des Quellcodes.
Consuela streckte die Hand nach der CD aus und nahm sie an sich. »Sie verstehen nicht, Vincent«, knurrte sie. »Wenn wir weiter Staatsaufträge bekommen wollen, müssen wir die Manipulation im Quellcode verborgen halten. Das Programm wird benötigt, um die Wahl in Florida zu kontrollieren.«
Diese Worte bewirkten, dass sich Vincents Magen verkrampfte. Was meinte sie damit? Er setzte an, nachzufragen, doch dann sagte ihm etwas im Gesichtsausdruck seiner Chefin, dass er das besser bleiben ließ, also ließ er es bleiben und sagte stattdessen: »Das geht nicht. Das wissen Sie so gut wie ich. Wenn jemand den Quellcode hat, kann er die Manipulation sehen.«
Consuela Sanchez stand auf. »Ich werde Frank geben, was Sie gemacht haben. Ende der Diskussion.«
Damit verließ sie den Besprechungsraum.
Vincent blieb noch einen Moment sitzen, wie betäubt von dem, was sich gerade abgespielt hatte.
Das in seinem Bauch war Angst, merkte er. Ihm war auf einmal, als höre er wieder die mahnende Stimme des Ehrenwerten Richters Alfred J. Straw. Und als röche er wieder den modrigfeuchten Geruch eines gewissen Duschraums …
Konnte das wahr sein? Dass die Republikaner vorhatten, die Wahl zu stehlen ?
Vincent gehörte keiner Partei an, und Politik interessierte ihnnicht die Bohne. Wie die meisten Amerikaner war er nicht begeistert von der Aussicht, den steifen, oberlehrerhaften Al Gore als Präsidenten zu bekommen. Wie die meisten Amerikaner war er aber gleichzeitig überzeugt, dass dieser den Kandidaten der Republikaner schlagen würde, und zwar um Längen. Kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hatte, würde den anderen wählen, dessen einziger Vorzug darin bestand, der Sohn eines ehemaligen Präsidenten zu sein und fast den gleichen Namen wie dieser zu tragen.
KAPITEL 3
A m Nachmittag des 7. November 2000 begab sich Vincent ins Wahllokal, um seine Stimme abzugeben.
Es war eigenartig, das zu tun, nachdem er sich einige Wochen zuvor intensiv damit beschäftigt hatte, wie man eine solche Wahl fälschen konnte. Er war froh, dass das Gerät, das er in der Kabine vorfand, ein anderes war als das, für das er das Programm geschrieben hatte.
Trotzdem. Es handelte sich auch um ein Touchscreen-Gerät. Es sah ein wenig anders aus, funktionierte ein wenig anders – egal: Vor seinem inneren Auge entstanden unwillkürlich Programmcodezeilen, Funktionsaufrufe, Datenstrukturen. Beim zweiten Mal entwickelt sich ein Stück Software viel leichter und schneller.
Vincent stimmte für Ralph Nader, den unabhängigen Kandidaten. Nicht, weil ihm der als Anwalt der Verbraucher berühmt gewordene Mann so sympathisch gewesen wäre, sondern weil er sich nicht überwinden konnte, für Al Gore zu stimmen, der sowieso haushoch gewinnen würde. Und seine Stimme George W. Bush zu geben, kam natürlich überhaupt nicht in Frage.
Piep! machte das Gerät, als er die Bestätigungstaste drückte, und auf dem Schirm erschien: Sie stimmen für: Ralph Nader. Bitte bestätigen Sie, indem Sie auf »Ja« drücken, oder drücken Sie »Abbrechen«, um von vorn zu beginnen.
Vincent drückte auf das Feld, in dem »Ja« stand. Die Beschriftung des Schirms wechselte: Ihre Stimme ist gezählt worden. Sie können die Wahlkabine nun verlassen.
War seine Stimme wirklich gezählt worden? Wie konnte er das wissen? Was, wenn er gerade sein eigenes Programm benutzthatte? Dann würde es später keine Rolle spielen, wie er abgestimmt hatte. Sicher, das war nicht genau sein Programm. Aber es hätte nur einen Nachmittag Arbeit bedeutet, die Bildschirmausgaben entsprechend anzupassen.
Ratlos verließ er die Wahlkabine, musterte die Schlange der wartenden Wähler. Männer und Frauen jeden Alters, jeder Hautfarbe, gut gelaunte, grimmige und gelangweilt dreinblickende. Aber keiner darunter, der so wirkte, als mache er sich Sorgen, dass seine Stimme verfälscht werden könnte.
Woher kam dieses Vertrauen? Die meisten Leute glaubten doch kein Wort von dem, was ihnen ein Politiker
Weitere Kostenlose Bücher