Ein Kuss und Schluss
etwas dagegen hätte tun können.
»Red keinen Unsinn, Schätzchen. Du warst es, die einen kräftig gebauten Kopfgeldjäger ausgeschaltet und einen gefährlichen Räuber zu einem Geständnis gezwungen hat. Du hast mich gar nicht gebraucht.«
»Doch. Ich brauchte einen Mann, der es nicht schaffte, mich ins Gefängnis zu bringen, weil er wusste, dass ich unschuldig bin, obwohl die ganze Welt das Gegenteil behauptet hat.« Sie legte eine Hand auf seine Wange. »Ich liebe dich, John. Ich weiß, dass es nach so kurzer Zeit eigentlich gar nicht möglich ist, aber ich liebe dich.«
Bis zu diesem Augenblick war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie verzweifelt er darauf gewartet hatte, dass sie diese Worte zu ihm sagte. Trotzdem waren seine Zweifel nicht restlos zerstreut. »Bist du dir sicher, dass es nicht nur Dankbarkeit ist?«
Das hatte er sie schon einmal gefragt, kurz bevor sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Und nun meldete sich die gleiche Ungewissheit zurück. Er hatte Angst davor, ihr diese Frage zu stellen, weil er befürchtete, dass es von ihrer Seite vielleicht doch keine Liebe war. Denn er liebte sie so sehr, dass er nicht wusste, ob er es jemals verwinden könnte, wenn sie nicht dasselbe für ihn empfand.
»Nein«, antwortete sie flüsternd. »Ich liebe dich nicht für das, was du getan hast, sondern für das, was du bist. Weil du bereit warst, alles aufs Spiel zu setzen, das dir etwas bedeutet. Meinetwegen.«
Sie sank wieder aufs Kissen zurück und lächelte schläfrig. »Würdest du dich jetzt bitte ausziehen und ins Bett kommen?«
Sie musste ihn nicht zweimal dazu auffordern.
Epilog
Renee hatte einiges überstanden - die Anklage wegen eines schweren Verbrechens, drei Auseinandersetzungen mit einem Kopfgeldjäger, der ihr an den Kragen wollte, und sie hatte einen Verbrecher mit bloßen Händen überwältigt. Dennoch stand ihr nun eine der nervenaufreibendsten Erfahrungen ihres Lebens bevor, als sie am Sonntag zum Mittagessen in Tante Louisas Haus eingeladen war.
Obwohl John ihr versichert hatte, dass er seiner Familie die ganze Geschichte erzählt hatte, konnte er Renees Besorgnis nicht zerstreuen.
»Ich halte das nicht aus, es ist zu verrückt!«, flüsterte sie John zu, als sie am Tisch Platz nahmen.
»Entspann dich«, flüsterte er zurück. »Ich habe dir doch gesagt, dass alles bestens ist.«
»Und warum schaut mich Alex mit diesem bösen Blick an?«
»So schaut er jeden an.«
»Bist du dir sicher, dass meine Anwesenheit erwünscht ist?«
»Vertrau mir, Schätzchen. Alles ist in Ordnung.«
Die Familie hatte Renee mit uneingeschränkter Liebenswürdigkeit begrüßt, aber nachdem die Leute jetzt alles über sie wussten, konnte sie sich einfach nicht vorstellen, dass sie noch genauso von ihr angetan waren wie bei ihrer ersten Begegnung. Glaubten sie nach wie vor, dass sie die richtige Frau für John war? Oder hofften sie, dass er irgendwann zur Vernunft kam und ihr den Laufpass gab?
Alle legten sich die Servietten auf den Schoß, und Tante Louisa reichte das Kartoffelpüree herum. Brenda griff sich den Teller mit gegrilltem Hähnchen, nahm sich zwei Flügel und reichte ihn an Alex weiter.
»Ach, Alex«, sagte sie beiläufig. »Was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte. Wie hast du dir die blauen Flecken am Handgelenk zugezogen?«
Alex erstarrte für einen kurzen Moment, dann nahm er drei oder vier Hähnchenschenkel und legte sie auf seinen Teller - ohne die Frage zu beantworten.
»Richtig«, sagte Dave. »Auch ich habe mich darüber gewundert. Ich habe einmal einem Kerl Handschellen angelegt, der sich der Verhaftung widersetzte. Er ist völlig durchgedreht. Als ich ihn schließlich freigelassen habe, sahen seine Handgelenke genauso aus.«
»Handschellen?«, fragte Sandy verwirrt. »Das kann nicht sein. Ich meine, wann habt ihr zum letzten Mal einen Polizisten in Handschellen gesehen?«
»Ich komme morgen Abend vorbei und helfe dir, den Türrahmen zu reparieren«, sagte Eddie zu John. »Es ist eine Schande, dass er bei dieser Sache etwas abbekommen hat. Wie ist es noch mal genau passiert?«
»Ja, schon gut!« Alex drehte sich zu John um und starrte ihn wütend an. »Du konntest deine Klappe nicht halten, stimmt‘s?«
John zuckte mit den Schultern. »Es könnte etwas durchgesickert sein.«
»Vielen herzlichen Dank!«, brummte Alex. »Ich schätze, inzwischen dürfte die ganze Welt darüber Bescheid wissen.«
»Aber nein!«, sagte Sandy. »Wenn wir jedem erzählen
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