Ein Kuss und Schluss
»Sie ist genauso verrückt wie du.«
John wandte sich Renee zu, die nach der verbalen Attacke immer noch außer Atem war. In ihrem ultrakurzen roten Kleid sah sie wie ein kleiner blonder Teufel aus, der der Unterwelt entstiegen war, um seinem Bruder die Hölle heiß zu machen. In Wirklichkeit war sie ein verkleideter Engel, aber Alex würde einige Zeit brauchen, um das zu erkennen.
»Gehe ich also recht in der Annahme, dass wir diese Angelegenheit als erledigt betrachten können?«, fragte Renee mit mühsam unterdrücktem Zorn, ohne Alex einen Moment aus den Augen zu lassen.
»Ja, gut«, murmelte er, dann funkelte er John an. »Aber eins ist klar. Wenn du auch nur einer Menschenseele erzählst, was heute Nacht hier geschehen ist, bist du dran. Dann kann dich nicht einmal deine durchgeknallte Freundin vor meiner Rache schützen.«
John lächelte. »Das würde mir nicht im Traum einfallen.«
»Ja, das kann ich mir sogar vorstellen.« Er setzte sich in Bewegung und warf beiden böse Blicke zu. »Seit einer Stunde muss ich dringend pinkeln. Wenn ihr mich für eine Minute entschuldigen würdet.«
Er verließ das Zimmer, und John drehte sich langsam zu Renee um. »Bedeutet das, du hast mir die Sache von gestern Nacht verziehen?«
Sie ging zu ihm und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. John empfand eine unendliche Erleichterung, die ihm beinahe die Besinnung raubte. Er hielt sie so fest, dass er befürchtete, ihr wehzutun, aber er konnte nicht anders, weil er ständig daran dachte, dass er sie um ein Haar verloren hätte. Er konnte noch gar nicht richtig fassen, dass sie den wahren Täter gefunden hatte. Und er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich wieder bei ihm war.
Und erst recht nicht, was sie mit Alex gemacht hatte.
»Danke, dass du dich so für mich ins Zeug gelegt hast, Schätzchen. Andernfalls wärst du jetzt mit mir im Krankenwagen unterwegs.«
»Nein. Er ist gar nicht so hart, wie er tut.«
Stimmt. Verglichen mit dir ist er friedlich wie ein Lamm.
Nach allem, was sie in den vergangenen Tagen durchgemacht hatte, war sie immer noch in der Lage gewesen, in den Club zu gehen und ihre Unschuld zu beweisen. Er schämte sich, dass er nicht zu ihr gehalten hatte. Aber er hatte die feste Absicht, nie wieder einen solchen Fehler zu begehen.
John hörte, wie Alex das Badezimmer verließ und zum Wohnzimmer stapfte. Dann wurde die Haustür geöffnet und so heftig zugeschlagen, dass die Bilder an den Wänden wackelten.
»Ich glaube, er ist immer noch etwas wütend, oder?«, sagte Renee.
»Er wird darüber hinwegkommen.« John nahm Renees Gesicht in die Hände und küsste sie sanft. »Ich muss mich jetzt auf den Weg zur Wache machen. Um dafür zu sorgen, dass Steve ein brauchbares Geständnis abliefert. Du bleibst hier, bis ich zurückkomme, okay?«
Sie beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr, dass sie keinen Fuß vor die Tür setzen würde. Und sie sagte ihm auch, wo genau in seinem Haus sie auf ihn warten würde und dass sie es soeben zu einer absolut handschellenfreien Zone erklärt hatte.
Als John anderthalb Stunden später zurückkam, fand er Renee schlafend in seinem Bett. Das rote Kleid lag auf der Kommode, genauso wie ihre rosafarbene Unterwäsche, und der schrille Hut steckte im Papierkorb. Er setzte sich neben sie aufs Bett. Sie rührte sich und drehte sich um, und in diesem Moment bemerkte er, dass sie darauf verzichtet hatte, eins seiner Hemden anzuziehen. Sie hatte überhaupt darauf verzichtet, irgendetwas anzuziehen.
Eine ausgesprochen nette Überraschung.
Er berührte ihre Schulter, worauf sie blinzelnd die Augen öffnete und ihn anlächelte.
»Alles in Ordnung, Schätzchen«, sagte er und strich ihr eine blonde Haarsträhne von der Wange. »Steve hat gestanden.«
»Wirklich?«
»Ja. Zuerst war er sich nicht mehr ganz sicher, aber dann kam Tom auf die Wache, um zusätzliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Du bist aus dem Schneider.«
Sie atmete tief durch, und ihr Körper erschlaffte vor Erleichterung.
»Du hast mir das Leben gerettet«, flüsterte sie.
John erschauderte, als sie es sagte, und dachte daran, dass in den letzten Tagen viele Dinge ganz anders hätten verlaufen können und sie möglicherweise nie auf die Wahrheit gestoßen wären. Renee wäre vielleicht so weit geflohen, dass er sie nie wiedergefunden hätte. Oder wenn sie irgendwann geschnappt worden wäre, hätte er mit der Gewissheit leben müssen, dass sie viele Jahre lang hinter Gittern saß, ohne dass er
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