Ein Kuss Vor Mitternacht - Historical Gold Bd 221
ist, besteht wohl kaum noch Hoffnung“, zischte ihre Tante beleidigt. „Wir haben dir gestattet, mit uns nach London zu kommen, um mir zu helfen, auf Georgiana und Margaret aufzupassen, stattdessen …“ Sie machte mit dem Fächer eine wegwerfende Bewegung in Richtung des Tanzparketts, „… tanzt du den ganzen Abend mit fremden Männern, ohne auch nur einen einzigen deinen Cousinen vorzustellen.“ Lady Woodley war nun endlich beim eigentlichen Thema angelangt. „Du hast sogar mit dem Duke of Rochford getanzt – einem Duke! –, ohne den leisesten Versuch zu unternehmen, seine Aufmerksamkeit auf meine Töchter zu lenken.“
„Oh.“ Constance warf den Cousinen einen Blick zu, die sie mit beleidigten Gesichtern anstarrten.
In gewisser Weise hatte die Tante recht: Constance hatte keinen Moment an ihre Cousinen gedacht, so sehr war sie damit beschäftigt gewesen, sich zu amüsieren. Es wäre höflich gewesen, sich von ihrem jeweiligen Tanzpartner zu ihren Verwandten begleiten zu lassen, um sie mit ihrer Tante und ihren Cousinen bekannt zu machen. Es war schließlich nicht die Schuld der Mädchen, dass ihre Mutter sie in so üppige Rüschenwolken, Volants und Schleifen steckte, dass sie aussahen wie Hochzeitstorten. Sie brauchten jede Hilfe, die sie kriegen konnten, und Constance hätte wenigstens mit einigen der Junggesellen zu ihnen kommen müssen.
„Ja, wir hätten uns gerne mit einem Duke unterhalten“, jammerte Georgiana.
„Jane Morissey wäre darüber vor Neid geplatzt“, fügte Margaret hinzu, und beide Mädchen fingen bei dem Gedanken an, kindisch zu kichern.
Selbst wenn sie die Mädchen einem Herrn vorstellen würde, wäre das noch längst keine Garantie für Erfolg – dessen war Constance sich sicher. Jeder Mann mit einem Funken Verstand würde nach wenigen Minuten des seichten Geplappers ihrer Cousinen die Flucht ergreifen.
„Es tut mir leid“, entschuldigte Constance sich. „Ich habe nicht daran gedacht. Aber ich verspreche, in Zukunft Margaret und Georgiana nicht zu vergessen. Allerdings würde ich mir an eurer Stelle keine allzu großen Hoffnungen auf den Duke machen, der, wie mir Lady Haughston anvertraute, ein eingefleischter Junggeselle sein soll.“
„Aber irgendwann muss auch er heiraten“, rief Lady Woodley entschlossen. „Er braucht schließlich einen Erben. Und seine Auserwählte könnte eines meiner Mädchen sein, habe ich recht?“
Constance enthielt sich einer Antwort. Es waren diese völlig aus der Luft gegriffenen Spekulationen, die so typisch für Tante Blanches Denken waren. Wobei Constance vor langer Zeit bereits die Sinnlosigkeit eingesehen hatte, sie auf Fehler und Widersprüche in ihrer Argumentation hinzuweisen. Wenn ihre Tante erst einmal zu einer Überzeugung gelangt war, ließ sie sich selten eines Besseren belehren und verteidigte ihre Meinung mit einer Starrköpfigkeit, die für Constance nur schwer zu ertragen war.
„Es ist ein wunderschönes Fest, findet ihr nicht auch?“, fragte Constance fröhlich, im Bestreben, diesem unerfreulichen Gespräch eine andere Wendung zu geben.
Lady Woodley hätte sich gerne noch länger über Constances Pflichtvergessenheit beschwert, doch ihre Klatschsucht siegte. Sie begann, über alle bedeutenden Mitglieder der vornehmen Gesellschaft, die sie heute Abend gesehen hatte, zu tratschen und alles auszuplaudern, was sie über die jeweilige Person in Erfahrung gebracht hatte.
Constance bemühte sich, ihr gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, um sie wieder friedlich zu stimmen, aber es dauerte nicht lange, bis ihre Gedanken anfingen abzuschweifen. Sie blickte sich suchend im Saal um, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, womit sie Tante Blanche ablenken könnte.
Erleichtert erblickte sie Francesca, die in ihre Richtung strebte. „Ich glaube, Lady Haughston kommt zu uns herüber“, flüsterte Constance.
Tante Blanche fuhr herum und strahlte. „Lady Haughston!“, flötete sie begeistert. „Zu schade, dass ich in diesem Trubel noch keine Zeit fand, Sie zu begrüßen. Kinder, macht einen Knicks und sagt Lady Haughston Guten Abend.“
Georgiana und Margaret versanken in einen tiefen Knicks und begrüßten Francesca überschwänglich. „Wie geht es Ihnen, Lady Woodley? Wie reizend, Sie wiederzusehen.“
Die Damen tauschten ein paar Höflichkeiten aus, erwähnten den ungewöhnlich milden Juniabend, lobten den ausgezeichneten Punsch und die wunderschöne Dekoration des Ballsaals. Tante Blanche hätte gewiss den Rest des
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