Ein Kuss Vor Mitternacht - Historical Gold Bd 221
Abends damit verbringen können, sich in endlosen Plattitüden zu ergehen. Als sie allerdings auf die Ballkleider ihrer Töchter zu sprechen kam und Lady Haughston auf die feine französische Spitze an den Miedern aufmerksam machte, unterbrach Francesca ihren Redefluss.
„Hat Constance Ihnen schon berichtet, dass ich sie eingeladen habe, mich nächste Woche nach Redfields zu begleiten?“
Tante Blanche sah Francesca verständnislos an. „Wie bitte? Wohin?“
„Auf den Landsitz unserer Familie in Kent, nur ein paar Stunden Fahrt von London entfernt. Dort geben meine Eltern jedes Jahr ein Sommerfest, das sich über mehrere Tage hinzieht. Ich bat Constance, mich zu begleiten, und hoffe, Sie haben nichts dagegen. Ohne sie würde ich mich in den zwei Wochen zu Tode langweilen.“
Tante Blanche wandte sich an Constance, die Neid und Missgunst in ihren Augen las. Sie wird es mir verbieten, dachte Constance und überlegte fieberhaft, wie sie sich verhalten sollte. Wenn sie sich ihrer Tante widersetzte und der Einladung ohne ihre Einwilligung zusagte, musste sie befürchten, verstoßen zu werden und auf der Straße zu landen.
„O Mylady, wie überaus gütig von Ihnen“, zwitscherte Tante Blanche honigsüß an Lady Haughston gerichtet. „Aber ich fürchte, ich kann nicht billigen, dass Constance allein verreist. Ich erachte es als höchst unpassend, sie zwei Wochen ohne Aufsicht Fremde besuchen zu lassen. Schließlich muss ich an den guten Ruf meiner Nichte denken.“
Francesca zog ihre fein geschwungenen Brauen hoch und entgegnete kühl: „Sie ist in meiner Begleitung, Lady Woodley, keineswegs ohne Aufsicht. Und ich kann Ihnen versichern, dass zu den Festen des Earls nur seriöse und ehrenwerte Gäste eingeladen sind.“
„Oh, daran zweifle ich keineswegs, Lady Haughston“, meinte Tante Blanche und schaffte es, zugleich einschmeichelnd und hartnäckig zu klingen. „Und Ihr untadeliger Ruf ist über jeden Zweifel erhaben. Aber ich nehme meine Verantwortung für meine Nichte sehr ernst und sehe mich nicht imstande, sie allein für so lange Zeit verreisen lassen, ohne die Begleitung eines Verwandten.“
„So, so.“ Francesca musterte Tante Blanche scharf, die ihren Blick unverwandt erwiderte.
Es war völlig klar, was ihre Tante bezweckte, und Constance wand sich innerlich vor Verlegenheit, befürchtete schon, Francesca würde ihre Einladung zurückziehen, und wartete mit angehaltenem Atem auf ihre Entscheidung.
„Aha, ich verstehe“, fuhr Lady Haughston nach einer Weile gedehnt fort und schenkte Lady Woodley ein kaltes Lächeln. „Natürlich dachte ich bei meiner Einladung nicht nur an Constance. Sie, Sir Roger und Ihre Töchter sind natürlich gleichfalls eingeladen.“
„Sie sind zu gütig, Mylady“, antwortete Tante Blanche und schaute zu Boden, um ihren Triumph zu verbergen.
So kam es, dass Constance gemeinsam mit Tante, Onkel und Cousinen eine Woche später mit der Postkutsche nach Kent reiste.
Es war eine anstrengende Woche gewesen, in der im Hause Woodley von nichts anderem gesprochen wurde als von Redfields und den großen bevorstehenden Ereignissen. Sogar Sir Roger, der sich normalerweise durch nichts aus der Ruhe bringen ließ, war voller gespannter Erwartung, das Haus zu besichtigen. Eines seiner Steckenpferde war die Architektur, und er hatte der Familie mit aufgeregt funkelnden Augen berichtet, dass Redfields eines der glanzvollsten Bauwerke der Elisabethanischen Epoche sei.
Tante Blanche hatte, wie zu erwarten, die Augen verdreht über diese banale Nebensächlichkeit. Ihrer Meinung nach waren Kunst und Architektur von geringer Bedeutung – Hauptsache, alles war grandios und prunkvoll. Wirklich wichtig war nur die Gästeliste. Die ganze Woche über besuchte sie Freundinnen und Bekannte, um beiläufig ins Gespräch einfließen zu lassen, sie reise demnächst nach Kent, da sie zum großen Sommerfest in Redfields eingeladen sei. Das zweite Anliegen dieser Besuche bestand darin, alles Wissenswerte über Lord und Lady Selbrooke, die Eltern von Lady Haughston, zu erfahren, über deren Ahnen, den Landsitz und alle Personen, die vermutlich auch eingeladen waren.
Dass Tante Blanche so häufig unterwegs war, bedeutete natürlich auch, dass alle Vorbereitungen, Planungen und das Packen der Koffer für den zweiwöchigen Aufenthalt Constance überlassen blieben. Sie half Georgiana und Margaret bei der Auswahl ihrer Garderobe, wobei sie sich redlich bemühte, ihnen die abscheulichsten der
Weitere Kostenlose Bücher