Ein Kuss Vor Mitternacht - Historical Gold Bd 221
dem Pferd.
Constance streichelte den glatten Hals der Stute und redete leise auf das Tier ein, um sein Vertrauen zu gewinnen. Nach einer Weile half Dominic ihr in den Damensattel und reichte ihr die Zügel. Dann schwang er sich in den Sattel seines Hengstes und nahm neben ihr Aufstellung.
Bald setzte sich die kleine Reiterschar in Bewegung und schlug den Weg zu den Bauernhöfen ein, die zum Besitz gehörten. Dominic führte die Gruppe an, und Constance ritt an seiner Seite. Erst als Muriel ihr Pferd neben Dominics lenkte, begriff Constance, weshalb Francesca sich doch noch entschlossen hatte, an dem Ausflug teilzunehmen.
„Kommen Sie, Dominic“, forderte Muriel ihn auf, ohne Constance auch nur eines Blickes zu würdigen. „Ich sehe Arion direkt an, wie ungeduldig er ist. Wie wär’s mit einem Wettrennen zum Flussufer?“
„Nein, danke. Ich möchte meine Schützlinge nicht allein lassen“, lehnte Dominic gleichmütig ab. „Schließlich bin ich der Anführer.“
„Natürlich kannst du deine Schäfchen nicht im Stich lassen“, meldete Francesca sich zu Wort, die im leichten Trab aufgeschlossen hatte. „Na, wie wär’s? Was halten Sie davon, Muriel, wenn ich mit Ihnen um die Wette reite?“
Muriels Lippen wurden schmal. Nach einem Wettrennen mit Francesca, wodurch sie sich von Dominic entfernen würde, stand ihr zweifellos nicht der Sinn. Allerdings stammte der Vorschlag ursprünglich von ihr, und es wäre unhöflich gewesen, jetzt einen Rückzieher zu machen.
„Na schön, meinetwegen“, willigte sie mürrisch ein, und die beiden Damen galoppierten los.
Es war kaum verwunderlich, dass Muriel das Rennen gewann. Allerdings sollte sich bald herausstellen, dass Francesca einen nachhaltigeren Sieg errang, da sie nun hartnäckig an Muriels Seite blieb. Was immer Miss Rutherford auch unternahm, um sich Dominic zu nähern, Francesca schaffte es immer wieder, sie abzudrängen. Constance, die sich von Francescas Loyalität in ihrem Selbstbewusstsein bestärkt fühlte, konnte sich nicht erinnern, je einen schöneren Tag erlebt zu haben. Sie plauderte und lachte angeregt mit Dominic, gelegentlich ritten sie den anderen voraus, um dann zu warten, bis die Gruppe sie wieder eingeholt hatte. Er erzählte Geschichten über alteingesessene schrullige Bauern, wusste genau, welches Getreide auf welchen Böden gedieh, während er die Gruppe am Waldrand entlang und über hügelige Weiden führte. Er kannte jeden Bauern, jeden Waldarbeiter, dem sie unterwegs begegneten. Es war ihm deutlich anzusehen und anzuhören, dass er dieses Land liebte. Umso weniger konnte Constance sich erklären, welche Umstände ihn bewogen haben mochten, seinem elterlichen Besitz so lange fernzubleiben. Es konnte gewiss nicht ausschließlich am Wunsch seiner Eltern gelegen haben, ihn mit Miss Rutherford zu vermählen.
Zugegeben, seine Eltern waren ein hochmütiges und verschlossenes Paar, Menschen, die keine große Herzenswärme ausstrahlten. Ihnen fehlte die liebenswürdige und ungezwungene Art, die Dominic und Francesca so anziehend machte. Aber in vielen Familien gab es die unterschiedlichsten Charaktere, ohne dass diese Unterschiede eine Distanz hervorriefen, wie Constance sie im Verlauf der vergangenen Woche zwischen Dominic und seinen Eltern wahrgenommen hatte. Dominic hielt sich nur selten in Gesellschaft von Lord und Lady Selbrooke auf, und wenn, dann nur für kurze Zeit. Bei den Mahlzeiten saß er am Kopfende der Tafel neben seinem Vater, allerdings nur, weil die Sitzordnung es erforderte. Constance hatte ihn noch nie in einem längeren Gespräch mit Lord Selbrooke erlebt. Jeder Außenstehende hätte die beiden für zufällige Bekannte gehalten.
Irgendeine Begebenheit musste der Auslöser für die Kluft zwischen Vater und Sohn gewesen sein. Dominic sprach nur selten über seine Vergangenheit oder seine Familie. Wenn er die Vergangenheit erwähnte, redete er über sein Regiment und die Zeit, die er in der Armee verbracht hatte. Seine Erinnerungen an seine Kameraden beim Militär schienen besser zu sein als die an seine Familie und Jugendzeit. Constance hätte gerne den Grund für das Zerwürfnis mit seinen Eltern gewusst.
Am späten Nachmittag machte man Rast an einem kleinen, idyllisch gelegenen See in Sichtweite des Herrenhauses. Am anderen Ufer des Sees befand sich das Sommerhaus, zu dem ein gewundener Uferpfad führte.
Zwei Diener und zwei Hausmädchen hatten eine Teetafel vorbereitet, für die sämtliche Bestecke, Geschirr und
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