0203 - Blizzard über New York
Das Waldorf Astoria steht an der Park Avenue, also im Zentrum des vornehmsten Viertels von New York. Um seine Exklusivität zu unterstreichen, steht es eigens auf stählernen Säulen und ist überdies durch einen Ring aus Blei und Asbest vom Bürgersteig getrennt. Offiziell dient dies der Sicherheit, aber man hat mehr den Eindruck, daß der vornehme Bau sich scheut, mit dem gemeinen Fußvolk, das die Park Avenue entlangflaniert, in Berührung zu kommen.
In der Hotelgarage, die nur fünfzig Wagen Platz bietet, langweilen sich die teuersten Autos von der Sorte Rolls Royce und Cadillac. Meinem Jaguar würde dort vor Minderwertigkeitsgefühlen die Luft aus den Reifen entweichen, sähen billigere Wagen dort schäbiger aus als ein verlauster Straßenköter unter reinrassigen Edelhunden.
Wenn man durch die Korridore schlendert, darf man sich über nichts wundern, auch nicht über dickwanstige Möpse mit Sonnenbrille und diamantbesetzten Schuhen an den Pfoten und Brillantkollier um den Hals, das sind die Schoßhündchen der Gräfin Sowieso.
Zu den mehr als zweitausend Angestellten kommt selbstverständlich eine eigene Hotelpolizei mit vierzig Detektiven.
Keine Frage, dass sich Abend für Abend in dem hypereleganten Nachtklub des Hotels, dem Empire Room, eine Ansammlung von Leuten amüsiert, die sagenhafte Reichtümer an Bargeld und gleißenden Edelsteinen spazieren trägt.
So auch an jenem 14. Februar, an dem schon seit zwölf Stunden ein Blizzard über New York raste und die Stadt mit Schnee bedeckte. Der Verkehr war völlig lahm gelegt. Tausende von Autos steckten kreuz und quer in den teilweise meterhohen Schneewänden, ganze Stadtteile waren ohne Strom, die Telefonleitungen teilweise zusammengebrochen, kurz ein vollendetes Chaos.
Auch im Hotel herrschte einiges Durcheinander. Gäste, die ihre Zimmer schon aufgegeben hatten, konnten nicht abreisen, da die Flugplätze gesperrt wurden. Umgekehrt kamen aus demselben Grund die angemeldeten Gäste nicht an, selbst die Züge waren im Schnee stecken geblieben.
Nichtsdestoweniger lärmte im Empire Room der übliche Betrieb. Es war eher noch stärker, noch hektischer als sonst, denn was sollten die verwöhnten Hotelgäste auch anfangen an einem Abend, an dem man nicht die Nase zur Tür herausstrecken konnte. Die Gefahr, daß sich »Fiffi«, der Zierpudel, trotz Mäntelchen erkältete, war ja auch zu groß. Von den dekolletierten Damen ganz abgesehen, denn selbst die feurigsten Edelsteine wärmen nun mal nicht.
Die erstklassige Kapelle, selbstverständlich in blendendem Weiß, spielte gedämpft einen Blues. Sektkorken knallten da und dort. Gespräche in allen Sprachen schwirrten durch den Raum.
Plötzlich erlosch das Licht. Aha, nun war auch die Stromversorgung von Manhattan Midtown zusammengebrochen.
In der Dunkelheit kreischten einige Damen, andere kicherten. Im Allgemeinen empfanden die Gäste im Empire Room den Stromausfall eher spaßig, manchen, vor allen in den versteckten Nischen rund um den Raum, kam sie sogar recht gelegen.
Mit einem Schlag aber änderte sich die erheiternde Situation.
Die blendenden Lichtbündel von sechs oder sieben Handscheinwerfern flammten auf. Ihr Schein funkelte im Kristall der Kronleuchter, spiegelte sich in der Marmortäfelung und warf groteske Schatten an die Wand hinter der Bar.
»Ladys and Gentlemen«, sagte eine Stimme, bei deren Klang es den meisten Gästen eiskalt den Rücken hinunterlief, »legen Sie sofort Ihre Geldbörsen und Ihren Schmuck vor sich auf den Tisch. Wenn Sie diesem Befehl nachkommen, wird Ihnen nichts geschehen. Wer…«
Eine Maschinenpistole bellte los.
Ihr Mündungsfeuer zuckte aus der Dunkelheit hinter den Scheinwerfern.
Der Hoteldetektiv war nicht mal mehr dazu gekommen, seine Waffe zu ziehen. Er kippte langsam vornüber auf einen Barhocker und rutschte dann, mit den Händen vergebens nach einem Halt greifend, zu Boden.
Da und dort gellten hysterische Schreie. Der Gangster kümmerte sich nicht darum, sondern fuhr seelenruhig fort: »Den Beweis, dass wir nicht spaßen, haben Sie eben mit eigenen Augen gesehen. Wenn Sie sich Unannehmlichkeiten ersparen wollen, dann beeilen Sie sich, meinem Befehl unverzüglich nachzukommen!«
Nur zögernd montierten die Damen ihren Schmuck ab, und die Herren legten, je nach Temperament unter wütendem Protestgeschrei oder mit schicksalsergebener Miene, ihre Brieftaschen auf den Tisch.
Der Gangster ließ sich wieder vernehmen: »Die Reiseschecks werden selbstverständlich
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