Ein leicht versalzenes Jahr
schon überhaupt nicht«, lacht Caruso und schenkt mir einen gütigen Blick.
»Mal sehen«, lalle ich und torkle ins Bett.
Am nächsten Morgen verschlafe ich das Frühstück. Als ich auf die Terrasse trete, entdecke ich die drei Aussteiger im Innenhof und schaue ihnen bei ihren Meditationsübungen zu. Aber nur kurz. Ich habe Kopfschmerzen und frage mich, ob es in diesem Haushalt Schmerztabletten gibt. Im Bad und im Küchenschrank werde ich erwartungsgemäß nicht fündig.
»Lass dir lieber von Albert eine Kopfmassage geben. Die wirkt Wunder.«
In der Tat. Während mir die Frühlingssonne warm ins Gesicht scheint, spüre ich seine Hände auf meiner Kopfhaut, die mal zart und mal kräftig auf bestimmte Punkte drücken. Nach zehn Minuten habe ich das Gefühl schwerelos zu sein.
»Das war magisch«, lobe ich ihn und bedanke mich mit einem Kuss auf die Wange.
Beim Mittagessen werde ich gefragt, wie ich mich entschieden habe.
»Also bleibst du noch?«
»Bis heute Abend wirst du es ohnehin nicht bis Hamburg schaffen.«
»Ich bleibe gern. Allerdings muss ich. Nein, allerdings werde ich mich später zu Hause melden. Ich möchte nicht, dass Martin sich Sorgen macht.«
»Sie ist lernfähig. Bravo. Eine gute Entscheidung« , applaudieren die Männer.
Albert bietet mir den Mittagsjoint an und wie die Tage zuvor, lehne ich wieder ab. Ich überlege, wie ich Martin über meine Pläne informieren kann, ohne meinen Aufenthaltsort Preis zu geben. Vermutlich wird er stinkig sein. Wütend darüber, dass ich einfach so abgereist bin und beleidigt darüber, dass ich heute nicht nach Hause komme. Eine Mail. Ich werde ihm eine email schicken. Ich bin noch keine Minute online und überlege noch, wie ich meine Nachricht formulieren soll, als sich das Skype Fenster öffnet und er mir schreibt
Wo bist du?
Ich soll die Webcam anstellen. Er will mich sehen und hören. Auf gar keinen Fall!
Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als du nicht im Hotel angekommen bist.
Es geht mir gut.
Wo bist du?
Ich komme noch nicht nach Hause.
Verdammt, Lotte! Willst du mich in den Wahnsinn treiben? Ich habe keine Nacht geschlafen. Kein Mensch weiß, wo du bist. Selbst Anja ist ahnungslos. Ich habe dich schon bei Maria vermutet. Aber Sergio hat mir versichert, dass du nicht bei ihr bist. Also bitte?
Tut mir leid. Ich wollte dich nicht beunruhigen.
Stell die Kamera an. Ich will dich sehen!
Ich will dich nicht sehen
Warum nicht? Ich bin so traurig und ich vermisse dich...
Melde mich wieder..
Meine Gastgeber liegen wieder tiefenentspannt im Garten und schnarchen ihren Kanon. Vielleicht hätte ich mit Martin auch lieber einen Joint rauchen sollen, statt mich mit ihm zu streiten und beleidigt zu flüchten. Er hat sich Sorgen gemacht. Natürlich hat er das. Ich hätte doch selbst drauf kommen müssen, dass er versucht, mich auf Sylt zu erreichen. Das war unüberlegt und dumm von mir. Aber nun weiß er ja Bescheid. Ich lebe und es geht mir gut. Jetzt kann er sich wieder mit Haut und Haaren seiner Firma zuwenden. Mit deren Angelegenheiten ich ja überhaupt nichts zu tun habe. So wenig zu tun habe, dass mich die Tatsache, dass die alte Zicke zurück ist, noch nicht einmal interessieren darf. Blödmann!
Caruso fährt mit mir in den Ort. Es ist Markttag und ich bin im Kaufrausch. Blumen, Kräuter, Wurst und Schinken. Beim Käsestand schlage ich richtig zu.
»Meine Güte, ist es schön hier«, schwärme ich, als wir in einem Bistro einen Kaffee trinken.
»Das Wetter ist recht gut für Ende April.«
»Es ist nicht nur das schöne Wetter, sondern vielmehr die nette Gesellschaft, die ich jetzt schon zwei Wochen genießen darf. Ihr führt ein beneidenswertes Leben.«
»Was hindert dich daran, auch so zu leben?«
»Die Frage sollte nicht lauten was, sondern wer.«
»Dein Martin?«
»Ja, ganz genau. Du kennst ihn nicht. Martin und Savoir-vivre? Ha! Völlig ausgeschlossen.«
»Ihr seid noch jung. Die Entscheidung mein Leben zu ändern, hatte ich auch erst mit Ende fünfzig, nach meinem zweiten Herzinfarkt.«
»Ich habe mich bei euch richtig gut erholt und sogar wieder 2 kg zugenommen. Ich bin auf dem besten Weg. Allerdings wird es langsam Zeit, wieder heimzufahren. Schließlich bin ich noch nicht ganz arbeitslos. Meine Kleinaufträge machen sich schließlich nicht von Geisterhand.«
»Ich würde gern für euch zum Abschied ein leckeres Abendessen kochen. Als
Weitere Kostenlose Bücher