Ein letzter Brief von dir (German Edition)
bekannte Verführerin Anthea Blake hat unter Beweis gestellt, dass das Leben ein Spiegel der Kunst ist. Sie hat ihren neuesten Bühnenpartner seiner Ehefrau ausgespannt, mit der er seit acht Jahren verheiratet war. Hier ist Tom Best, 42 , dabei zu sehen, wie er heute in den frühen Morgenstunden Ms. Blakes zwei Millionen Pfund teures Haus in Nord-London verlässt. Sein Gesichtsausdruck und Antheas Aufmachung mit einer Art Negligée lassen darauf schließen, dass sie nicht zusammen ihren Text gelernt haben. Es wird im Hause Best kein fröhlicher Valentinstag werden.
«Oh. Du bist noch hier.» Maude hielt inne, als sie an Orlas Tür vorbeikam. Sie hatte – zum ersten Mal, seit Orla sie kannte – Lippenstift aufgelegt und trug den Rosenstrauß vor sich her, als handele es sich um die olympische Fackel. «Musst du heute nicht zur Arbeit?» Argwöhnisch erforschte sie Orlas Gesicht.
«Ich habe mir freigenommen. Schon lange.» Orla hatte Maude nichts davon gesagt. Heute war ihr Tag, ihr Tag ganz allein. «Ich habe … Pläne.»
Hinter Maude stand geduldig, höflich George und war glücklich, sich von Maudes Strahlen bescheinen zu lassen. All das und mehr las Orla in seinen Zügen. Sie bewunderte seinen Mut, an Maudes Tür geklopft zu haben, dass er seiner Feigheit im Angesicht ihrer Krankheit entgegengetreten war. Orla brauchte heute die Bestätigung, dass die Liebe Kraft besaß, dass Liebe, tja, über alles siegen konnte. Und hier stand nun der alte George und bestätigte sie nach Kräften.
«Gehst du davon aus, dass Marek auftaucht?» Aus Maudes vorsichtiger Frage klangen ihr Beschützerinstinkt, ihre Furcht.
«Nein. Ich gehe nicht davon aus. Aber es wäre nett von ihm.»
Maude und Orla konnten einander von den Lippen ablesen, was sie nicht aussprachen.
«Ich lasse dir deine Ruhe», sagte Maude und sprach nicht aus:
Ich hab dich lieb, Orla
.
«Danke.»
Ich hab dich auch lieb, Maudie
.
Noch fünf Minuten. Orla zwang sich, in der Wohnung zu bleiben. Es war besser, pünktlich loszugehen.
Halte dich an deinen Plan
.
«Orla!» Maudes Ruf aus dem Laden herauf bebte vor Aufregung. « ORLA !»
«Was ist?» Orlas Körper vertraute Maude. Wenn Maude aufgeregt war, war auch er aufgeregt: Ein Schauer wanderte ihren Rücken hinauf und wieder hinab.
«Ein Einschreiben.» Maude versuchte ihre Fassung wiederzuerlangen, aber es gelang ihr nicht. «Für dich!», fügte sie hinzu.
Als sie mit dem Päckchen allein war, einem ordentlich in Packpapier eingeschlagenen Rechteck, kniete sich Orla hin. Sie ließ sich einen Moment Zeit. Ihre Vorahnung sagte ihr, dass dies hier bedeutsam war, und in diesen Tagen hörte sie auf ihre Sinne.
Orla zerriss das Papier und enthüllte eine Schachtel, die eher lang als breit war. Der Karton knarrte, als sie den Deckel abnahm. Und da lag das Tagebuch, schwer wie eine Bibel, in ihrer Hand. Sie strich mit dem Finger über das Leinen, des Buchrückens und berührte dann vorsichtig die Worte
Simeon Quinn, Sein Tagebuch
, die erhaben auf dem Cover prangten.
«Hallo», sagte sie. «Endlich.»
Ein quadratischer Briefumschlag war unter Sims Namen geklebt worden. Seine obere Kante war ausgefranst, er war geöffnet worden. Die Briefmarke war ein Jahr alt, und der Umschlag war an Reeces Wohnung über seinem Büro adressiert.
Orla legte das Tagebuch ab und öffnete den Umschlag. Auf seiner Vorderseite stand in Reeces Handschrift:
Der Idiot hat die Karten in die falschen Umschläge gesteckt. Du hast meine Valentinskarte. Ich habe deine. Als er starb, hat er dich geliebt. Ich hoffe, dieses Wissen bringt dir Frieden. Es dir vorzuenthalten, hat mir meinen genommen. R
Orla nahm die Karte aus dem Umschlag und öffnete sie. Das Picasso-Porträt von Françoise Gilot darauf, das Sim immer an Orla erinnert hatte, nahm sie kaum wahr. Ohne nachzudenken, begann sie zu lesen.
Fee,
erst ziemlich spät im Leben habe ich etwas gelernt, das die meisten Menschen (einschließlich dir) schon sehr früh wissen. Ich habe gelernt, warum Ehrlichkeit wichtig ist. Bis jetzt war das für mich einfach Theorie. Aber meine Sichtweise von dir und meinem Leben ist erschüttert worden. Plötzlich habe ich es begriffen. Wir können nicht zusammen in die Zukunft gehen, wenn ich mit dir nicht ehrlich bin.
O, atme tief durch – ich war dir untreu.
Hol noch mal Luft – nicht zum ersten Mal.
Aber dieses Mal habe ich mich verliebt. Die anderen Male sind eigentlich gar nicht erwähnenswert, das war rein körperlich, ich
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