Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
du’s dir noch mal überlegt, Shaz?« Ich wusste, dass sie Nein sagen würde. Ein grundlegender Unterschied zwischen ihr und mir ist, dass sie ihre einmal getroffenen Entscheidungen nicht mehr infrage stellt, während ich ewig hin und her überlege.
Aber auch Shaz ist manchmal für eine Überraschung gut. Sie strahlte mich an und sagte: »Nein, ich will nicht mit euch fahren. Aber rate mal, wo meine Eltern diesen Sommer mit uns hinfliegen.«
»Nein! Echt?«
»Unser Hotel ist ganz in der Nähe von eurem. Wir können uns ganz oft sehen.«
»Das ist so was von cool!«
»Was ist so was von cool?«
»Hallo, Jack! Shaz fliegt doch nach Ibiza!«
Jack grinste wie eine Zahnpastareklame.
»Aber nicht mit euch«, sagte Shaz rasch, »sondern mit meinen Eltern. Unsere Hotels liegen aber ziemlich nah beieinander.«
Jack ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen. »Das ist ja mindestens so cool, wie dass Lia meiner Mutter das Nagelstudio abgekauft hat.«
»Das hatte aber nichts mit deiner Mutter zu tun«, stellte ich richtig. »Nicht, dass du denkst, ich hätte ein schlechtes Gewissen gehabt oder so. Es war nur die einfachste Methode, unsere Bäckerei zu erweitern. Wir brauchen unbedingt eine größere Backstube.«
»Der Umbau läuft schon, oder?«
»Ich habe mit dem Architekten besprochen, dass er mir im Obergeschoss ein Atelier einrichten soll. Für die Vintage-Mode … Anproben, Änderungen und so. Vor dem Abi habe ich zwar noch nicht so viel Zeit dafür, aber ich dachte, ich bringe das Ganze schon mal ins Laufen.«
Wenn du keine vernünftige Ausbildung hast, kann es dir passieren, dass dein Leben stinklangweilig wird. Geldsorgen hast du natürlich trotzdem nicht, aber dann ist es ja eigentlich noch langweiliger …
»Was schreibst du denn da die ganze Zeit?«, wollte Jack wissen.
»Ach, ich notiere mir nur ein paar Ideen. Vielleicht schreibe ich ein Buch. Einen Ratgeber für Leute, die im Lotto gewonnen haben. Leute in meinem Alter. Wir haben es nämlich ganz schön schwer.«
Jack prustete los, dass die Croissantkrümel nur so flogen. »Ein Selbsthilfebuch für minderjährige Millionäre oder was? Wer will denn so was lesen! Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme – so was Bescheuertes!«
»Ich finde die Idee gut«, nahm Shaz mich in Schutz.
»Dann musst du aber ein paar saftige Szenen aus deinem Liebesleben einbauen, Lia. Sonst schlafen die Leser ja ein.«
Ich boxte ihn in die Rippen. »Du ganz bestimmt! Kommt gar nicht infrage. Außerdem habe ich nicht vor, das Buch einem Verlag anzubieten. Ich will es Gilda schenken. Dann kann sie anderen Jugendlichen, die im Lotto gewinnen, eine Kopie davon machen.«
»Mensch, Lia, du hast so viel Kohle, dass du überall auf der Welt Tausenden Menschen das Leben retten kannst, und da willst du ausgerechnet jungen Lottogewinnern helfen?«
»Nicht nur«, antwortete ich, »aber auch. Unsereiner hat genauso Hilfe nötig. Aber keine Sorge, um die großen Probleme in der Welt kümmere ich mich auch.«
»Genau«, sagte Shaz. »Was glaubst du, warum Lia Entwicklungspolitik studieren will?«
»Unsere Lia – der Engel der Armen. Das hat sie nur unserem guten Einfluss zu verdanken, stimmt’s, Shaz? Ich hab immer gewusst, dass es uns irgendwann gelingt, einen anständigen Menschen aus ihr zu machen.Ach ja, Lia, dein Raff musste übrigens im Internetcafé für seinen Bruder einspringen. Er freut sich bestimmt, wenn du ihm Gesellschaft leistest.«
»Du sollst ihn nicht immer so nennen!«
»Raff? Das macht ihm nichts aus. Wir sind doch Kumpel.«
Das stimmte tatsächlich. Raf spielte inzwischen mit Jack in der A-Mannschaft und Jack arbeitete ab und zu in Dads Bäckerei. Auf die Weise waren sie Freunde geworden.
Zum Glück konnte ich mich darauf verlassen, dass Jack unser Geheimnis weiterhin für sich behielt.
Im Internetcafé musste mir Raf gleich von den neuen Rezepten erzählen, die er gerade für Dad ausdruckte. Er hatte auch nach Wochenmärkten in der Gegend recherchiert. Mit Biobrot mit Nüssen oder getrockneten Aprikosen würden wir uns eine goldene Nase verdienen, davon war Raf fest überzeugt.
»Ist ja gut«, unterbrach ich ihn. »Erzähl das bitte meinem Vater. Ich kann das sowieso nicht beurteilen. Apropos – hast du was von deinem Vater gehört? Wie ist es gelaufen?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Indem du mal auf dein Handy guckst. Ich habe ihm gesagt, er soll dir eine SMS schicken.«
Raf schüttelte sich. »Davon will ich gar nichts hören. Das
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