0501 - Der Biß der Kobra
Neben Lady Patricias Bett war Lord Saris mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen zusammengebrochen. Butler William war nicht schnell genug zur Stelle, um den Lord vor dem Sturz zu bewahren. Schreckensstarr stand er da und schaffte es nicht, auch nur einen Finger zu rühren. Der Tod des Llewellyn-Lords kam zu überraschend und vor allem zu früh.
Zu früh für die Seelenwanderung und die Wiedergeburt, denn der Körper, der sein aus dem sterbenden Leib fliehendes Bewußtsein aufnehmen sollte, war noch nicht geboren!
Aus den Augenwinkeln hatte Lady Patricia mitbekommen, was neben ihrem Bett geschah, und die zusätzlichen Schweißperlen, die jetzt auf ihrer Stirn entstanden, hatten ihre Ursache nicht mehr in den immer stärker werdenden Wehen, die den Geburtsvorgang ankündigten, sondern auch in ihrer Angst um den Mann, den sie so sehr liebte, daß sie den größten Verzicht zu erbringen bereit war, der ihr abverlangt werden konnte.
Zwei Menschen behielten die Ruhe.
Nicole Duval war mit einem Schritt bei Lady Patricia. Sie griff nach einem Tuch und tupfte den kalten Schweiß von der Stirn der jungen Frau. »Er hat nur den Halt verloren. Die Altersschwäche zeigt sich auch in seinen Beinen, aber er mußte ja unbedingt auf den Gehstock verzichten oder darauf, sich von William stützen zu lassen… Das hat er nun davon!«
»Er ist tot!« flüsterte Patricia.
»Noch nicht! Das dauert noch ein paar Minuten!« widersprach Nicole burschikos. »Nun sieh zu, daß du euren Sohn rechtzeitig und ordentlich auf die Welt bringst, statt dich in haltlosen Spinnereien zu verlieren!« Und dabei lachte sie Patricia so fröhlich an, daß die tatsächlich glaubte, es sei alles in Ordnung.
Auch Zamorra hatte seinen Schock schnell überwunden. Er war schon bei Saris, tastete nach dessen Puls und konnte ihn nicht mehr fühlen. Aber er ging auf Nicoles Beruhigungsversuche ein. »William, nun spielen Sie nicht Lots Frau, die sich gerade nach Sodom und Gomorrha umgedreht hat, sondern packen Sie mit an! Als Salzsäule nützen Sie keinem was, weil’s keine so großen Streuer gibt, in die Sie am Stück hineinpassen…« Seine drastische Ausdrucksweise sorgte dafür, daß Patricia sogar schon wieder lächeln konnte, obgleich die Schmerzwellen durch ihren Körper rasten und die Angst um ihren Mann immer noch nicht schwinden wollte. »Nun machen Sie schon, William!« polterte Zamorra. »Aber passen Sie auf, damit Sie ihm nicht weh tun! Der erinnert sich später daran und feuert Sie deshalb, sobald er wieder begreift, wer er einmal war!«
Endlich verlor William seine Starre und faßte mit an. Beide trugen Saris ins Nebenzimmer, und weil Patricia sie dabei beobachten konnte, verrenkte Zamorra sich, um eine Bewegung des Lords vorzutäuschen. Dabei spürte er einen höllischen Stich, daß er sich vor Schmerz die Lippe blutig biß. Dann flog die Tür zu, und der Lord landete sanft auf dem Teppichboden.
»Herzstillstand«, stieß Zamorra hervor und wollte mit Wiederbelebungsversuchen beginnen, als er feststellte, seinen linken Arm nicht benutzen zu können. »Himmel, habe ich mir den jetzt auch noch ausgekugelt, nur weil ich dich lebendig erscheinen lassen wollte, Bryont?« stieß er hervor. »Das kostet deinen Sohn aber mehr als eine Flasche Schwarzgebrannten, wenn ich ihn in ein paar Jahren daran erinnere…«
William übernahm schon. Er hatte nicht vergessen, was er in den Erste-Hilfe-Kursen gelernt hatte, und zwischenzeitlich hatte er sein Wissen immer wieder aufgefrischt. Er mühte sich mit Wiederbelebungsversuchen ab. Ob es noch Sinn hatte, danach fragte er nicht einmal.
Die Tür glitt einen Spaltweit auf. »Ich brauche das heiße Wasser und Tücher!« verlangte Nicole. »Es geht nämlich los!«
Zamorra winkte sie zu sich. »Den Arm ausgekugelt? Na, das haben wir gleich«, sagte sie, packte zu und kugelte ihn mit einem schnellen, kraftvollen Ruck wieder ein. Zum zweiten Mal hörte Zamorra die Englein singen und hatte alle zusammengebissenen Zähne voll zu tun, nicht doch laut aufzubrüllen und damit Patricia zu verängstigen.
Wenigstens konnte er seinen Arm jetzt wieder benutzen, auch wenn er bei jeder Bewegung deutlich spürte, was ihm eben zugestoßen war. Nicole einen Kuß zu geben und sich zu bedanken, schaffte er noch und konnte dann den Lord übernehmen, während Butler William sich erleichtert entfernte, um Wasser und Tücher zu holen.
»Meinst du, daß du es schaffst?« fragte Zamorra leise.
Nicole sah den Lord an. »Bete
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