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Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme

Titel: Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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dass Raf sich irgendwo hier verkrochen hatte – und vielleicht meine Hilfe brauchte.
    Ich zwängte mich durch Brombeergestrüpp und Efeu und zuckte zusammen, als eine Brennnessel meinen Knöchel streifte. Und wenn er doch nicht hier war? Wenn Georgia mich ihrerseits reingelegt und auf eine falsche Fährte gelockt hatte?
    Dann hörte ich plötzlich, dass mir jemand folgte.
    Das Geraschel verstummte, wenn ich stehen blieb, und setzte wieder ein, wenn ich weiterging. Ich glaubte, im Gebüsch einen Schatten zu erspähen …
    Ich schrie auf und rannte los, über Gräber und durch Pfützen, schlug Haken um Bäume und Steinfiguren. Der Verfolger war mir auf den Fersen. Ich hörte ihnkeuchen. Ich wusste nicht mehr, in welcher Richtung der Ausgang war. Ich wollte mein iPhone herausholen, stolperte, fiel hin, das Handy flog durch die Luft …
    »Lia!« Plötzlich stand Raf vor mir und fing mich auf. »Was ist los, Lia?«
    »Jemand … jemand verfolgt mich!«
    Raf zog mich an sich. »Das ist bestimmt nur eins von diesen blöden Mädchen. Die sind oft hier. Ich beachte sie gar nicht.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich Alicias knochigen Hintern im Gebüsch verschwinden. Ich erwiderte Rafs Umarmung.
    »Sonst alles okay?«
    Ich nickte. Ich kam mir schrecklich dumm vor. Ich war hergekommen, um ihn zu retten, und stattdessen rettete er mich. Und dann auch noch vor Alicia – wie peinlich war das denn!
    »Ich wusste gar nicht, dass du auch auf den Friedhof gehst«, sagte Raf. »Hier ist es schön, oder? So ruhig. Und alles ist voller Geschichte – Namen, Leute, Lebensdaten. Ich komme oft hierher.«
    »Echt?«
    »An solchen Orten fühle ich mich am wohlsten.« Er schaute mich an. »Jetzt hältst du mich für verrückt, oder?«
    »Nein«, sagte ich, weil ich mich nicht traute, »Ja!« zu sagen. »Ich habe mit Jasper und deinem Vater gesprochen. Sie haben mir erzählt, dass du versucht hast, dich umzubringen. Da habe ich Schiss gekriegt, dass …«
    Er fasste mich bei den Schultern und schob mich einStückchen von sich weg. »Eigentlich wollte ich gar nicht … Es war eine blöde Zeit damals. Ich war immer nur im Internat. Weggesperrt sozusagen. Dad hat mich zwar besucht, aber er hat die ganze Zeit nur über seine Geldsorgen und seine anderen Probleme geredet. Er kam nicht drüber weg, dass seine Freundin ihn verlassen hatte. Du hast ihn ja jetzt kennengelernt. Er ist irgendwie … man kann sich ihm nicht entziehen. Irgendwann konnte ich nicht mehr schlafen. Ich habe auch jetzt noch Schlafstörungen. Und Panikattacken. Das ist voll peinlich. Ich kriege totales Herzrasen und muss in eine Papiertüte reinatmen, damit ich nicht umkippe. Deswegen bin ich auch am liebsten allein. Ich will nicht, dass andere Leute das mitkriegen.«
    »Hast du deswegen in der Schule nie mit mir geredet?«
    »Das ging gar nicht! Da wäre ich sofort umgekippt. Als du dann bei uns im Café ohnmächtig geworden bist … da dachte ich, dass wir etwas gemeinsam haben. Dass du mich vielleicht verstehen kannst.«
    »Klar verstehe ich dich, aber … was hast du gemacht, Raf? Tabletten geschluckt? Wolltest du wirklich sterben?«
    »Eigentlich nicht. Aber es hätte mir auch nichts ausgemacht, wenn es geklappt hätte.«
    Eine Welle von Mitgefühl durchflutete mich. Hoffentlich spürte er das!
    »Ich habe damals wegen meiner Schlafstörungen Tabletten genommen. Die habe ich geschluckt und Wodka hinterhergetrunken. Ich wollte es drauf ankommen lassen.«
    »Du hättest tot sein können!«
    »Man könnte wahrscheinlich sagen, dass ich Glück gehabt habe.«
    Ich war fassungslos. Raf hatte mit seinem Leben gespielt! Ein, zwei Tabletten mehr, noch ein Schluck Wodka … Und wenn es ihm wieder mal so schlecht ging?
    »Würdest du denn … würdest du wieder …?«
    »Komischerweise ging es mir besser, als Dad irgendwann endgültig pleite war. Er nahm mich aus der Schule und wir wohnten in einer billigen Absteige, mit Wanzen in der Matratze und Mäusedreck im Schrank, aber das war besser, als sich die ganze Zeit davor zu fürchten, dass es irgendwann so weit kommen könnte.«
    »Es hört sich trotzdem schrecklich an.«
    »Jasper hat mich da rausgeholt. Er meinte, ich soll lieber bei ihm und seiner Frau Sylvie wohnen. Dabei schläft der kleine George immer noch nicht durch und sie wohnen im Haus seiner Mutter, was auch nicht einfach ist … Ich meine, schließlich war ich sozusagen der Grund für ihre Scheidung.«
    »Nein, einfach ist das bestimmt nicht.« Und ich hatte immer gedacht,

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