Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
Vom Netzwerk:
Einstein-Haus stand, Mannhardt aber verband mit Caputh sofort kaputt und: Macht kaputt, was euch kaputt macht! Vielleicht gab es wirklich einen Taxifahrer, der schneller war als Mirko Fischer, wenn der den zweiten Mord begehen wollte. Obwohl er es faschistisch fand, dies zu hoffen, konnte er sich der Faszination dieses Gedankens nicht ganz entziehen, denn für jede weitere Bluttat Fischers würde man ihn verantwortlich machen: Wenn sich der Mannhardt bei der Attacke mit dem Glas Urin nicht so albern angestellt hätte, dann...
    Immer wenn er besonders schnell fuhr, hing sein Chauffeur am Funktelefon und gab seiner Frau wohlmeinende Kommandos.
    «Hallo, Mutti, hier ist Günther. Bin gerade auf der Autobahn, und da fällt mir ein: Hast du Grillkohle geholt? – Nein! O Gott, muß ich denn an alles denken. – Nein, ich fahre bis vier Uhr morgens und schlafe dann bis eins. – So? Dann mach doch auch ’n Führerschein oder nimm dir das Rad. Jedenfalls ist das alles morgen mittag erledigt. Ende.»
    Mannhardt verspürte einen starken Haß auf Günther, mußte sich aber gleichzeitig auch eingestehen, daß er ihn beneidete. Wäre er selbst so mit Lilo umgesprungen, würden sie sich möglicherweise heute noch lieben und in holder Eintracht miteinander leben.
    Als sie durch Hermsdorf fuhren, bat er den Fahrer, doch bitte einen kleinen Umweg zu machen und durch die Straße zu fahren, in der er jahrelang mit Lilo und den Kindern gewohnt hatte.
    «Is ja prima, daß Ihnen das jetzt noch eingefallen is...»
    Mannhardt reagierte auf diese neue Unverschämtheit nicht, er war mit seiner Zeitmaschine schon längst Ende der siebziger Jahre. Der allfällige Fackelzug durch die Hermsdorfer Straßen fand heute abend statt. «Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne. Brenne auf, mein Licht, brenne auf, mein Licht, nur meine liebe Laterne nicht...» Michael ging an seiner Hand, Elke hatte Lilo angefaßt. Im Garten glühte noch die Kohle im Grill, und die Girlanden wiegten sich im Wind. Alles war gut, für alle Ewigkeit gut. Dann, als sie die Kinder ins Bett gebracht hatten, schlief er mit Lilo – und er liebte sie und glaubte, daß sich nie etwas ändern würde.
    Mannhardt unterdrückte ein Seufzen, ein Schluchzen, doch dann mußte er ein Taschentuch nehmen, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen. Wie hatte seine Mutter immer gesagt: Wir Mannhardts haben alle zu dicht am Wasser gebaut.
    In seiner Erregung merkte er nicht, wie sich der Fahrer zu ihm umgedreht hatte, so etwas murmelte wie «... ein Irrer, was, ausgebrochen aus der KBoN...» und sich unter seinem Sitz zu schaffen machte.
    Um von seinen Aufwallungen wegzukommen, suchte Mannhardt nun wieder das Gespräch. «Danke, schnell weiter jetzt. Durch Frohnau durch und dann... Kennen Sie die Gegend hier?»
    «Hatte ich nicht schon gesagt, daß ich unten aus dem Süden komme!?» blaffte Günther.
    Mannhardt verspürte den ungewissen Drang, dem Fahrer den Schädel einzuschlagen. Vielleicht hatte Mirko Fischer hinter einem ähnlichen Typen gesessen und dabei rot gesehen. Das Schlimme am Taxifahrer? war ja, daß man mit einem wildfremden Menschen über viele Minuten hinweg in einem eng umschlossenen Raum quasi zur Intimität verurteilt war. Man roch ihn, man war ihm zum Anfassen nahe, man atmete das ein, was er gerade ausgeatmet hatte. Das potenzierte auch die Aggressionen. Also: Günther erschlagen... Außerdem hatte Mannhardt eine tiefverwurzelte Lust am Absurden: Das wäre doch der Gag des Jahres gewesen, wenn er, der er den Berliner Taximörder jagen sollte, nun selber einen Taxifahrer um die Ecke brachte.
    Nun, er widerstand dem Impuls, denn so schön wäre es auch nicht gewesen, den Rest des Lebens in der geschlossenen Anstalt verbringen zu müssen.
    «Hier war früher die Grenze», sagte Mannhardt, als sie den Frohnauer Wald verließen und nach Hohen Neuendorf kamen.
    «Für mich ist hier immer noch die Grenze», betonte Günther.
    «Ja, zwischen Berlin und Brandenburg, aber sonst...»
    «Hören Sie mir auf mit dieser Vereinigungsscheiße!»
    Mannhardt verstummte erneut und nahm den alten Faden wieder auf. Warum sollte nicht auch mal ein Taxifahrer der Mörder sein dürfen...? Den Spieß umdrehen sozusagen. In einsamen Gegenden hatte er eine reelle Chance für einen wirklich perfekten Mord. Sofern ihn niemand beim Einsteigen des Fahrgastes beobachtet hatte und die Taxe nicht über Funk gerufen worden war. An einen – grob gesagt – «Lustmörder» ließ sich da denken, aber

Weitere Kostenlose Bücher