Ein Mann fürs Grobe
Rücksitz ein Toter gesessen hat. So zusammengesunken und das Blut an der Schläfe...»
Mannhardt gab vorsichtig zu bedenken, daß das wohl auch ein Betrunkener gewesen sein könnte.
«Das glaube ich nicht.»
Mannhardt unterdrückte seinen Ärger über diese Störung seiner Arbeitsruhe. «Liebe Frau Gotz...»
«Dombrowski!»
«...Dombrowski – Pardon! Sie scheinen da doch etwas zu verwechseln: Wir suchen einen Mann, der einen Taxifahrer ermordet hat, und keinen Taxifahrer, der...»
Gerda Dombrowski reagierte empört. «Für wie dämlich halten Sie mich denn!? Nur weil ich inzwischen auf die Neunzig zugehe. Was ich meine, junger Mann, ist dieses: Da hat der Taximörder wieder zugeschlagen, den Fahrer aber nach der Tat auf den Rücksitz gesetzt und angeschnallt und ist dann mitsamt dem Wagen geflohen.»
«Nun...» Mannhardt mußte zugeben, daß das nicht ganz auszuschließen sei. «Wir haben aber von den brandenburgischen Kollegen keine diesbezüglichen Informationen erhalten.» Er versuchte, möglichst amtlich zu klingen, um die Anruferin auf Distanz zu halten. Menschen wie sie, dominante Querulanten, neigten immer zu Dienstaufsichtsbeschwerden.
«Ich wollte es Ihnen ja auch nur gesagt haben. Wie war Ihr Name bitte?»
«Wuttkowski», antwortete Mannhardt. «Wolfgang Wuttkowski.»
«Danke sehr.» Und aufgelegt.
Mannhardt ging, sich einen Kaffee und ein Baguette aus der Kantine holen. «Bitte etwas mit Rindfleisch drauf, damit mich endgültig der Wahnsinn packt...» Und in seinem Kopf hallte es wie in der Eishockeyhalle, wenn die Fans ihre Sprüche skandierten: BSE, BSE – alle hab’n es an der Spree! Die Leute lasen zu viele Kriminalromane und saßen zu oft vor der Glotze, um Krimis zu sehen.
Als er an seinen Schreibtisch zurückgekehrt war, schlug er erst einmal die neue «zitty» auf, um zu sehen, was in Berlin alles so lief. Viel zuviel. Außerdem ging das meiste sowieso nicht, weil auf den Papst aufzupassen war. Wieder störte ihn das Telefon. Yaiza Teetzmann war mit ihrem Fabio verschwunden. Angeblich zum Einkaufen, aber wahrscheinlich zu einem Quickie irgendwo. Mürrisch riß er den Hörer hoch, und sein Verslein klang arg vernuschelt.
«Hast du dein Gebiß nicht drin?»
Er glaubte zu träumen. «Was denn: du? Von Bali aus...?»
«Nein, von Balin.»
Um das zu begreifen, brauchte er etliche Zehntelsekunden. «Wie kommst du denn so plötzlich nach Berlin?»
«Na, wie schon? Sie haben mich hergebeamt.»
Mannhardt spürte, wie er immer rettungsloser in die Defensive geriet. Diesen «Club Exotic»-Ton seiner Noch-immer-Ehefrau hatte er nicht drauf, da fehlte ihm die tägliche Übung. «Habt ihr ’ne Jahrestagung hier?»
Lilo Mannhardt imitierte den Tonfall einer Reporterin. «... fragte er mit dem ihm eigenen kriminalistischen Scharfsinn, und er freute sich, daß sie seine Frage bejahte.»
Langsam kam Mannhardt wieder auf die Beine. «Ob ich mich freue, ist ja nun ’ne andere Sache...»
«Ich bewundere deine Intuition.»
Jetzt lief er wirklich zur Höchstform auf. «Sag bloß: Du willst nach fünf Jahren der Trennung von Tisch und Bett wieder eine gute deutsche Ehe mit mir führen? Warte mal, ich muß mir bloß schnell meine Waffe an die Schläfe setzen.»
«So einfach kommst du mir nicht davon.» Und sie erklärte ihm, daß sie jetzt endlich die Scheidung wolle.
«Weil ich nun wieder Vater geworden bin... ? Oder fürchtest du die Bigamie...?»
«Nein, du, das Glück mit dir war so riesig, daß ich nie wieder heiraten muß. Die Scheidung einreichen? Weiß ich nicht, warum. Da wird es viele Gründe geben. Mein Arbeitgeber sieht es auch nicht so gerne, daß ich’s immer noch bin.»
Klar, dachte Mannhardt, eine verheiratete Reisebegleiterin, die es mal mit den Animateuren, mal mit den Kunden treibt.
«Was du da annimmst, ist ein bißchen primitiv...» Lilo mußte seine Gedanken gelesen haben. «Ein bißchen komplizierter ist es schon. Laß uns mal in Ruhe darüber reden, wie wir das alles am besten hinter uns bringen.»
«Das Modell Kleist scheidet aber bitte aus.»
«Wie?»
Jetzt konnte er einen Pluspunkt verbuchen. «Gemeinsamer Selbstmord am Kleinen Wannsee unten. Aber ich bin ja kein Dichter und du nicht Henriette Vogel.»
Lilo Mannhardt verfiel nun automatisch in das Verhalten, das sie im Umgang mit störrischen Pauschalreisenden an den Tag legen mußte. «Wir treffen uns um 21 Uhr im Hotel ‹Heidereiter› in Lehnitz.» Sie nannte ihm die Anschrift. «Hirschfeldstraße, fast am
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