Ein Mann fürs Grobe
See unten. Aber pünktlich bitte. Vorher kann ich nicht.»
«Wir danken Ihnen für das in uns gesetzte Vertrauen und werden uns bemühen, alles zu Ihrer Zufriedenheit zu erledigen.» Mannhardt legte auf und starrte in den gnadenlos blauen Himmel Berlins. Dann flössen die Tränen. Er konnte nichts dagegen machen. Vom Kopf her war ja alles klar gewesen, trotzdem aber... Bis daß der Tod Euch scheidet. Das war in seiner Seele unauslöschlich programmiert. Und da waren die alten Bilder wieder. Wie Lilo und er alt und grau in Hermsdorf im Garten saßen, die Kinder und die Enkelkinder um sich herum. Um die verlorenen Träume weinte er. Es wäre besser gewesen, man hätte ihn längst bei einer Verfolgungsjagd erschossen. Versündige dich nicht! Das war die Stimme seiner Mutter. Natürlich, er hatte Heike und Silvester, er fiel ja keineswegs ins absolute Nichts. Und dennoch...
Er stand auf, ging zum Waschbecken und ließ sich kaltes Wasser über Stirn und Arme laufen. Dann rief er Heike an, um ihr zu sagen, daß er heute abend später kommen würde. «Lilo hat mich zu sich einbestellt. Sie will die Scheidung einleiten.»
«Die Scheidung...», wiederholte Heike, so als hätte er etwas auf Kisuaheli gesagt und sie dieses Wort noch niemals gehört.
Mannhardt war maßlos enttäuscht, denn er hatte einen Freudenschrei erwartet. Wunderbar, Liebling, nun ist der Weg endlich frei für uns beide, und gleich nach deiner Scheidung gehen wir zum Standesamt. Du, das ist der glücklichste Tag meines Lebens!
«Bist du noch dran?» fragte Heike.
«Ich seh mal nach.»
«Das scheint dich ja ganz schön getroffen zu haben. Ich denke, zwischen euch, da gibt es nur noch null Gefühle...»
Mannhardt hatte den Wunsch, den Rest seines Lebens in einer kleinen Hütte am Ufer eines Sees zu verbringen, irgendwo tief in den Wäldern Branden- oder Mecklenburgs. «Zwischen uns nicht, aber in mir selber...» Ihm fehlten die Worte. «Das hat nichts mit dir zu tun, sondern nur mit der Zeit, die vor dir war, also, bevor wir uns kennengelernt haben.»
Heike lachte und gab sich souverän. «Okay. Wenn du wieder zurück zu ihr willst, ruf mich bitte erst an, wenn ich mit dem Stillen fertig bin.»
Ihre Ängste freuten ihn irgendwie gemeiner –, aber auch verständlicherweise. «Das ist aber eine schöne Liebeserklärung von dir.»
«Komm du mal her!»
«Du bist eine wunderbare Frau.»
«Stimmt», lachte sie.
«Ich hatte eine andere Antwort erwartet... Du kennst ja meine narzißtische Bedürftigkeit.» Mannhardt war in der Tat ein wenig gekränkt.
«Ein wunderbarer Mann bist du erst, denk mal an die archaischen Muster, wenn du mir reiche Beute nach Hause bringst.»
«Reicht ein Blumenstrauß?»
«Nein, ich meine im Hinblick auf die verschwundenen Manager – Dr. Witt, Schrotzer und so weiter.»
Mannhardt wand sich. «Das ist nicht mein Bier, das sind ganz andere Zuständigkeiten. Das sind auch gar keine Fälle, das sind nur Zufälle.»
Heike schrie auf. «Du, Vestie schreit, ich muß! Bis dann. Und laß dich von Lilo nicht einwickeln...»
«Nein, nein!» rief Mannhardt, hatte aber sofort das Bild vor Augen, wie sie ihn als Leiche in eine Folie wickelte.
Doch ehe er seine düsteren Gedanken weiterspinnen konnte, kam Yaiza Teetzmann von ihrem Rendezvous mit ihrem latin lover zurück. Unwillkürlich hatte Mannhardt den Spruch im Sinn, den sie als pubertierende Knaben immer gebraucht hatten: Du bist ja so errötet, hat man dich soeben durchgeflötet? «Hallo, du bist ja so... erhitzt?»
«Ja, wir ham zwei Sambuca jetrunken: Fabio hat ’ne neue Stellung jefunden.»
Mannhardt grinste. «Was denn, bei dir im Trabbi?»
«Sau du. Als Kellner in ’ner Pizzeria.»
«Gratulation.»
Yaiza Teetzmann fiel in ihren Drehstuhl. «Wat Neuet hier?»
«Nein. Außer, daß Lilo in Berlin ist und ich heute abend zu ihr raus muß nach Lehnitz ins Hotel.»
Jetzt war es an Yaiza Teetzmann zu spotten. «Willste da die Nacht mit ihr verbringen?»
«Nein, über unsere Scheidung reden.»
«Nimm mal gleich ’n Anwalt mit.»
«Da gibt’s ja nichts mehr zu verteilen bei uns.» Mannhardt sah das Grundstück vor sich. Hermsdorf. Beste Lage. Aber längst verkauft. Er sah sich mit der S-Bahn fahren und den Zug in Hermsdorf halten. «Mit der S-Bahn nach Lehnitz raus, das dauert ewig und drei Tage...»
«Fahr doch mit der Taxe raus und sag, dettet dienstlich is. Kieken, ob der Mirko Fischer irjendwo steckt.»
Mannhardt hatte am Bahnhof Zoo einen Taxifahrer
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