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Ein Mann wie ein Erdbeben

Ein Mann wie ein Erdbeben

Titel: Ein Mann wie ein Erdbeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fragte sie.
    »Wohin?«
    Er zog die Spritze auf. Seine Hand zitterte. Er wollte sie betrügen, ihr nur die Hälfte injizieren, und erst dann, wenn das Gift nicht so stark wirkte, wie der Mann es angepriesen hatte, die zweite Hälfte geben. Aber sie sah es und stieß ihn mit der Faust in den Rücken. »In diese Welt, mein Schatz. Alles hinein! Bestiehl mich nicht, du geliebter Lump!«
    »Wir leben doch auf dieser Welt, Claudette.«
    »Sie ist ein Misthaufen, Bob! Glaub es mir. Ein riesiger, stinkender Misthaufen. Das siehst du erst, wenn du mich begleitest. Ich schenke dir einen Schuß, mein Liebling. Komm mit … du bist noch nie dem Himmel so nahe gewesen …«
    »Ich habe es nie getan.«
    »Nur einmal, nur heute.«
    »Ich werde schlafen.«
    »Und träumen. Du wirst alles erzählen, was du träumst. Auch ich habe früher geträumt und erzählt. Verrückt und herrlich schön war es … du solltest dein Tonband anstellen und nachher hören, wo du gewesen bist. Komm mit …«
    Bob Barreis setzte die Nadel auf, drückte die Luft aus dem Kolben, dann gab er die Spritze an Claudette weiter.
    »Ich kann sie nicht in deine Adern stechen«, sagte er dumpf. »Zum Teufel, ich kann es einfach nicht.«
    Sie nahm das Gift an wie eine Reliquie, ballte die linke Hand zur Faust und stieß zu.
    »Das Tonband, mein Schatz!« sagte sie. »Du wirfst ein Paradies weg für einen Platz in der Gosse! Bob, o Bob … laß mich nicht allein … wir können doch nicht mehr allein sein …«
    Er holte das Tonband, schloß es an, stellte das Mikrofon auf den Rauchtisch, setzte sich neben Claudette in den Sessel und nahm die Spritze aus ihrer Hand. Er machte sich nicht die Mühe, die Nadel zu wechseln … er nahm sie nur ab, um die zweite Ampulle besser aufsaugen zu können, setzte sie wieder auf den Kolben und hielt Claudette seinen Arm hin. Sie krempelte den Hemdsärmel hoch, küßte seine Armvene, band den Schlauch um den Arm, stieß die Nadel schräg in die Ader, ein Stich, den Bob kaum spürte, und drückte dann langsam die Flüssigkeit in seine Blutbahn.
    Er legte die Spritze zur Seite, stellte das Tonband an und war enttäuscht. Man hat uns betrogen, dachte er. Der Himmel öffnet sich nicht. Ich bin zum Straßenräuber geworden für unnützes Zeug. Nach seiner Vorstellung mußte die Wirkung blitzartig kommen, direkt nach der Injektion, er hatte das immer gelesen, im Kino und Fernsehen wurde es gezeigt … nun saß er da und wartete auf das neue Schreien von Claudette.
    Erstaunlicherweise blieb sie ruhig. Sie kroch an die Rückenlehne der Couch, und die war breit genug, um auch Bob noch aufzunehmen.
    »Komm zu mir …«, sagte Claudette. »Nah zu mir. Ich bin so glücklich …«
    »Spürst du etwas?« fragte er zweifelnd.
    »Ich liebe dich, Bob … Leg dich zu mir …«
    Er gehorchte, streckte sich neben sie aus, aber sie lachte, mit einem dunklen Unterton, der weit aus Asien kam. Ihre schräggestellten Augen glitzerten. Er kannte diesen Ausbruch der Sterne in ihrem Blick und erhob sich wieder. Dann begann er, sie auszuziehen, küßte ihren weißen Körper, eine eigenartige Schwerelosigkeit ergriff ihn, holte ihn weg, trug ihn in eine glatte Kälte, so glatt wie Claudettes Hand und so samtig gleichzeitig wie ihre Haare. Taumelnd entledigte auch er sich seiner Kleidung, legte sich wieder neben Claudette, sie krochen eng aneinander, umfaßten sich, fühlten die Rundungen ihrer Körper ab und verloren Gehör und Anblick dieser Welt.
    »Wie schön …«, sagte sie und kroch fast in ihn hinein. »Wie himmlisch schön … und du wolltest mich allein lassen …«
    Plötzlich explodierte es in Bobs Herzen. Er war unfähig, zu schreien, oder schrie er wirklich, er wußte es nicht, er hörte sich nicht … er wurde in kreisende Nebel gehoben und fiel und fiel und fiel in Unendlichkeiten, mit ausgebreiteten Armen und dem unbeschreiblichen Glücksgefühl, wie ein riesiger Vogel unter der Sonne zu gleiten, vom Sturzflug hinauf in das Gold der Wärme, näher, immer näher, bis seine ins Unermeßliche gespannten Flügel die Sonne umarmten und das Licht erdrückten –
    In seinem Hotelapartment sah Tschocky auf die Uhr. Lundthaim und Schuhmann hingen betrunken in ihren Sesseln.
    »Jetzt müßte er es sich spritzen«, sagte Tschocky gleichmütig. »Selten war auf einen Menschen mehr Verlaß als auf Claudette.«
    Über Cannes huschte die Nacht. Ein Mond, voll und rund, hing über dem Meer. Ein Theatermond fast, kitschig schön, aber mit den silbernen Streifen

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