Ein Mann wie ein Erdbeben
behält?
Heute steht der weiße Marmorengel noch immer am Grab, und die Vredenhausener Rentner sitzen rund um ihn herum in der Sonne.
Nur sieben Meter weiter liegt ein anderes Grab. Verwahrlost, ohne Namen, nur eine Buchsbaumhecke drum herum. Wer fragt, wer denn hier liege, bekommt ein Achselzucken zur Antwort. Nur ein paar Alte wissen es: Renate Peters. Bob Barreis' Kindermädchen. Ja, die Verrückte, die damals von der Autobahnbrücke gesprungen ist. So mir nichts, dir nichts. Ein altes Fräulein, das wird's sein. Irgendwann steigt's denen mal in den Kopf.
In Vredenhausen feierte man die Geburt des zwanzigtausendsten Bürgers.
Die Barreis-Werke bauten neue riesige Hallen.
Die automatische Zielanlage wurde ein rauschendes Geschäft.
Theodor Haferkamp erhielt das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
Am ersten Weihnachtstag starb er, plötzlich, während des Mittagessens, mitten in einer Erzählung aus seiner Jugendzeit, als der Schnee in Vredenhausen noch zwei Meter hoch lag – Er kippte vom Stuhl, zog noch im Fallen die Serviette über sein Gesicht, und es war, als verhülle er sein Haupt vor dem Gericht, das ihn erwartete.
Eine Stunde später telegrafierte Mathilde Barreis, die letzte der Dynastie, die man nie gefragt hatte und die nur weinen durfte, nach Minnesota:
›Hellmut, komm sofort zurück –‹
Und Hellmut Hansen kam.
Als er das Barreis-Schloß betrat, war er ein anderer Mensch geworden, in der rauhen Luft des amerikanischen Busineß gegerbt. Man sah es ihm an, und Vredenhausen atmete auf.
Ein Mann wie ein Erdbeben war gekommen …
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