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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vorwort Freud – Ein Phänomen in zehn Ansichtskarten
    Freud begegnete mir zum ersten Mal auf dem Markt von Argentan im Département Orne. Ich war ungefähr fünfzehn Jahre alt. Er erschien mir in Gestalt eines Namens auf den Titelblättern vergilbter Bücher. Ich kaufte sie am Stand einer Buchhändlerin, die – wahrscheinlich ohne es zu wissen – so etwas wie der Lichtblick meiner ansonsten dunklen Jugendjahre war. Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen, wie ich Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie aus der bei Gallimard verlegten Reihe »Idées« mit dem schwarzvioletten Buchdeckel kaufte. Noch heute habe ich dieses kostbare Buch, auf dessen erster Seite der Preis mit Bleistift vermerkt ist.
    Zwischen all den Marktständen voller Büstenhalter und Markisenstoffe, den üppigen Bäuerinnen, die ihre Erzeugnisse feilboten, und dem Eisenwarenhändler, der seine Blechbasteleien an Ehemänner verkaufte, die einer Erzählung von Maupassant entsprungen schienen, befand sich der Bücherstand dieser kurzhaarigen Dame. Sie ist mittlerweile sicher verstorben. Für sehr wenig Geld verkaufte sie mir viele Bücher, die ich gierig las – in der Hoffnung, sie brächten die dringend benötigte Klarheit in das Chaos meiner Seele.
    Ich hatte gerade vier Jahre in einem Waisenhaus der Salesianermönche hinter mir, von denen einige pädophil gewesen waren, und schon damals bedeuteten die Bücher meine Rettung vor einem Abgrund aus Schmach und Schande, bei dem man sich nie sicher sein konnte, am nächsten Tag nicht noch tiefer hinabzugleiten. Diese Höllenqual durchlitt ich von meinem zehnten bis vierzehnten Lebensjahr – dem Zeitpunkt meiner Rückkehr ins Leben. 1973 kam ich ins Gymnasium. In den Pausen ging ich
auf den Markt und verstaute in meinem Ranzen Werke von Dichtern und Schriftstellern, Biographien, Soziologisches, Bücher über Psychologie und Philosophie.
    Damals entdeckte ich das Manifest des Surrealismus von André Breton, begeisterte mich für Automatisches Schreiben, für die Technik des Cadavre Exquis, für Alltagsdichtung, Jubelprosa und den freiheitlichen Geist der Künstler. Rimbaud beeindruckte mich, auch Baudelaire, und an den glühenden Vulkanen der leidenschaftlichen Surrealisten entzündeten sich meine vagen Vorstellungskräfte.
    Unter den zahllosen Büchern, die ich erwarb und zum Teil wieder verkaufte, um mir neue leisten zu können, waren drei wahre Goldstücke: Nietzsche, Marx und Freud. Damals wusste ich noch nicht, dass ein gewisser Michel Foucault die Namen dieser drei Denker zum Titel seiner 1964 bei einer Nietzsche-Konferenz in Royaumont gehaltenen Vorlesung gemacht hatte. Ich war Lichtjahre davon entfernt, zu erkennen, dass dieses wunderbare Dreigestirn flammende Debatten in der zeitgenössischen Philosophie entfacht hatte. Stattdessen bewegte ich mich wie ein Blinder zwischen all den leuchtenden Wegmarken.
    Mein Sammelsurium an Büchern enthielt gewiss auch einige schlechte, aber es waren eben jene drei philosophischen Donnerschläge darunter: Nietzsches Antichrist, Marx’ Manifest der Kommunistischen Partei und Freuds Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. In den Jahren nach dem Waisenhaus entfachten diese drei hellen Blitze am dunklen Himmel eine Inbrunst in mir, die ich noch heute empfinde. Das erste Buch lehrte mich, dass das Christentum kein unabwendbares Schicksal bedeutet, dass es ein Leben vor ihm gibt und man die Entwicklung hin zu einem Leben nach ihm sogar beschleunigen kann. Das zweite brachte mir bei, dass der Kapitalismus kein unüberwindbarer Zustand der Menschheit ist und es eine andere Welt mit dem schönen Namen Sozialismus gibt. Durch das dritte Buch entdeckte ich, dass man Sexualität mit der leuchtenden Klarheit der Anatomie jenseits
von Moral begreifen kann, ohne sich um Gott oder den Teufel kümmern zu müssen; ohne Drohungen, ohne Furcht und ohne die Ängste, die mit dem repressiven Apparat der christlichen Moral verbunden sind. Mit fünfzehn oder sechzehn Jahren verfügte ich so über einen beachtlichen Vorrat an Sprengstoff, mit dem ich die katholische Moral in die Luft jagen, die kapitalistische Maschinerie unterhöhlen und die repressive jüdisch-christliche Sexualmoral sich in Luft auflösen lassen konnte. Aus philosophischer Sicht hatte ich also etwas zu feiern, und zwar richtig!
    Dann begriff ich, dass die Philosophie zuallererst die Kunst ist, das Leben zu denken und das Denken zu leben. Mit dieser praktischen Wahrheit konnte man gut durch das Dickicht der

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