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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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oder eine Frau oder eine ganze Stadt.

Nachspiel

Der Sohn

    121. Zwei Landleute auf dem Stettiner

    Es ist Sommer, ein paar Jahre später, ein Julitag, beinahe um die Mittagsstunde. Eben ist ein Personenzug aus der Mark angekommen, der Strom der Reisenden staut sich an der Sperre. »Hören Sie mal, Sie Jüngling«, sagt ein dicker Mann. »Das war eben mein Fuß! Lassen Sie sich Zeit: Berlin läuft Ihnen nicht weg!«
    »Da haben Sie recht!« lacht der »Jüngling«, ein braungebrannter Mann in den Vierzigern. »Berlin läuft uns nicht weg, jetzt nicht mehr. Ich bin nämlich«, erzählt er weiter und bohrt dabei die Hände in die Taschen seines marineblauen Jacketts, »Stücker zehn Jahre nicht mehr in Berlin gewesen und, weiß Gott, da kriegt man’s plötzlich eilig!« Und, sich umwendend: »Habt ihr eure Fahrkarten? Karl, du bleibst immer hinter Mutter! Sieh dir das an, Rieke!« sagt der Marineblaue, als er mit den Seinen durch die Sperre ist. »Was für ein Betrieb! Und was die Gepäckträger zu schleppen haben! Heute würde es sich lohnen, wieder einmal Koffer zu schleppen!« Er sieht fast neidisch auf einen kleinen, untersetzten Mann mit melancholischem Gesicht, der unter der Last seiner Koffer einherkeucht.
    »Aber det is ja Herr Beese!« ruft Rieke. »Herr Beese, kennen Se uns denn jar nich mehr? Wa sind doch – nee, wa waren doch mit Siebrechten und haben hier imma die Koffa abjefahren! Die Kanalljenvögel, det müssen Se doch noch wissen!«
    Herr Beese setzt seine Kofferlast ab und trocknet die schwitzende Stirn mit dem Handrücken. Dann zieht er ein Taschentuch hervor und wischt an ihm die Hand ab, die er nun erst der Frau, dann dem Mann, schließlich dem etwa zehnjährigen Jungen reicht. »Doch«, sagte er melancholisch,»ich kenn Sie noch, so leicht vergeß ich keinen. Sie sind die Frau Siebrecht, und das ist Kalli, der immer mit dem ollen Opa Küraß fuhr. Und das ist ihr Junge, der war damals noch nicht da.«
    »Nee, Herr Beese!« lachte Rieke. »Der war damals noch nich da und kann ooch jar nich! Und ick bin ooch nich mehr die Siebrechten, ick bin jetzt Frau Flau. Flau, det is Kalli sein Name, vastehn Se?«
    »Verstehe ich«, sagte der Gepäckträger Beese. »Ja, Sie staunen, Kalli! Das ist ein Betrieb, was, gegen damals! Sie hätten beim Geschäft bleiben sollen, das hätte sich gelohnt. Der Siebrecht ist jetzt ganz groß!«
    »So«, sagte Kalli und warf seiner Frau einen raschen Blick zu. »Er fährt also noch immer Gepäck ab, der Siebrecht? Und es geht ihm gut?«
    »Gut?« fragte Herr Beese verächtlich. »Gut ist dafür gar kein Ausdruck. Wissen Sie, mit wieviel Wagen der allein jetzt vom Stettiner fährt? Mit Sechsen! Da staunen Sie, was?« Er verabschiedete sich und ging mit seinem Gepäck.
    Die drei aber standen noch einen Augenblick und sahen zu dem Schalter hinüber, an dem eine lange Reihe von Reisenden geduldig anstand. »Berliner Bahnhof-Eildienst nennt er sich jetzt«, sagte Kalli Flau nachdenklich. »Und sieh mal, Rieke, was darunter steht. Siebrecht, Niemand und Co. – das ist echt Karl! Niemand! Mich hat er noch mit in die Firma genommen, Siebrecht und Flau, weißt du noch? Aber jetzt niemand mehr – jetzt schmeißt er den Laden allein! Ob er wohl auch sonst allein geblieben ist?«
    Aber Rieke hörte nicht auf das, was ihr Mann sagte. Sie faßte seinen Arm mit festem Griff und flüsterte aufgeregt: »Sieh mal, Kalli, wer da kommt!« Und wirklich, ganz dicht an ihnen vorbei, ging ein großer, schlanker Mann in hellem Staubmantel, mit einem festen, energischen Gesicht und kühlen blauen Augen. Er sah sie nicht, er ging direkt an ihnen vorbei auf den Schalter zu, bückte sich, stieg über den Gepäcktisch und verschwand … »Det war er!« sagteRieke aufgeregt und hielt immer noch den Arm ihres Mannes fest.
    »Ja, das ist er, Rieke«, antwortete Kalli Flau. »Und wenn du willst, sprechen wir ihn gleich an. – Karl, das war der Herr, nachdem du deinen Vornamen Karl bekommen hast!«
    »Du heißt doch auch Karl, Vater?«
    »I wo, ich heiß nicht Karl, ich heiß Kalli, ich bin bloß Karl getauft. Wenn deine Mutter dich Karl und nicht Kalli nennt, weiß sie wohl, was sie tut! – Na, Rieke, wie ist es? Sprechen wir ihn gleich an? Darum sind wir doch eigentlich nach Berlin gekommen!«

122. Der Sohn Karl Flau

    Das Innere der Annahmestelle war von einem übergeschäftigen Treiben erfüllt. Selbst an diesem hellen Sommertag herrschte hier halbe Dunkelheit, ein paar grünbeschirmte

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