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Ein Mensch namens Jesus

Ein Mensch namens Jesus

Titel: Ein Mensch namens Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Messadié
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Bart abrasiert hatte. Schlachtern und Gärtnern war es in Jerusalem nicht erlaubt, sich einen Bart wachsen zu lassen.
    Den Jüngern ergeht es auf dem Weg nach Emmaus ebenso. Sie begegnen einem Fremden und erkennen ihn nicht. Sie laden ihn zum Abendessen ein; er nimmt die Einladung an. Noch immer wissen sie nicht, wer er ist. Erst in dem Augenblick, als er das Brot bricht, fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen. Diese Handbewegung! Aber natürlich... Dieselbe Erklärung.
    Was ein Mensch empfinden mußte, der am Kreuze hängend verzweifelt zu seinem himmlischen Vater aufschrie: »Warum hast Du mich verlassen!« und dessen öffentlichem Wirken, eingesponnen in ein Netz von Verrat, Mißverständnissen und Intrigen, ein Ende gesetzt wurde, wagen wir uns nicht auszumalen. Jesus hatte mit Sicherheit die nötige Seelenstärke, um das, was ein furchtbarer Mißerfolg für ihn sein mußte, zu verkraften. Er hatte versucht, seinem Volk den Weg zu einem Gott zu zeigen, der nicht nur jene rächende und strenge Macht war, als den ihn die Überlieferung in den Schriften darzustellen pflegte. Dazu mußte das komplexe, unüberwindbare Hindernis von Riten, Vorschriften und Verboten — das sich noch heute andeutungsweise in den 637 Geboten des Talmud widerspiegelt — aus dem Weg geräumt werden, jenes Hindernis, das der Klerus um so eifersüchtiger aufrechtzuerhalten suchte, als seine Macht darauf gegründet war. In all den Jahren seines öffentlichen Wirkens zeigte Jesus offen seinen Unmut über die rituellen Vorschriften, was die Pharisäer ihm auch ständig zum Vorwurf machten. Am Sabbat brachte er die Weizenernte ein, und seine Jünger wuschen sich vor dem Essen nicht die Hände. Das grenzte fast schon an Ketzerei. Ich persönlich vermute, daß ihn neben der Hoffnungslosigkeit, die die Essener zur Doktrin erhoben hatten - und die seinem erwartungsvollen Eroberungsdrang überhaupt nicht entsprach — , vor allem die Unmenge von Riten, mit denen man ihn in Qumran überschüttete, zum Verlassen des Klosters bewegten. Konnte sich Gott denn wirklich einem Bruder der Gemeinschaft verweigern, der am Sabbat zum Beispiel dringend Wasser lassen mußte? Mußte man, um zu Gott zu gelangen, wirklich durch all diese lächerlichen Regeln organisierter Gottesverwaltung hindurch? Jesus, dessen Aufbegehren in mehr als einer Hinsicht an Luthers Kampf gegen den Ablaßhandel erinnert, war also mit dem Klerus aneinandergeraten. Und schließlich sah er sich auch mit einer politischen Lage konfrontiert, in der hinter jeglichem Versprechen von religiöser Befreiung die Gefahr eines weltlichen Aufstands lauerte. Aber wie bitter das Scheitern auch gewesen sein mochte, dahinter schimmerte doch eine Lehre durch, die auf eine unumschränkte Öffnung des Wesens zum Göttlichen und zu den Mitmenschen hin gegründet war. Das geht zumindest aus den Niederschriften von Johannes, Matthäus und Thomas hervor, den drei einzigen Evangelisten, die diese Lehre vernommen und nach ihrem Verständnis schriftlich festgehalten haben. Der Mensch Jesus aber war ein Rebell. Seine schier unermeßliche Großmut verschmolz in seinem Innersten mit dem Drang nach Rebellion.
    Bevor ich schließe, möchte ich noch auf eine Schule verweisen, in der sich die Fäden der Exegese, der historischen Analyse und der Philologie begegnen, eine Schule freilich, die Jesus’ historische Existenz leugnet. Die von ihr angeführten Gründe sind gewiß »interessant«. Es gibt keine anderen Beweise für diese Existenz als die von Jesus’ eigenen Jüngern erbrachten, ein Sachverhalt, der verständlicherweise Mißtrauen erwecken kann. Die einzigen beiden zeitgenössischen Andeutungen auf Jesus’ Existenz, die nicht das Werk von Eiferern sind, die berühmten Hinweise von Josephus Flavius und Tacitus, erscheinen verdächtig. Es ist gut möglich, daß übereifrige Kopisten sie im nachhinein hinzugedichtet haben. Diese skeptische Schule geht mit Bernard Dubourg * sogar so weit zu behaupten, Jesus’ Existenz sei das Produkt eines Mißverständnisses, an dem jene Übersetzer schuld seien, die die hebräische Originalfassung der Evangelien ins Griechische übertragen haben. Diese Übersetzer, denen das numerische Deutungssystem der Kabbala völlig fremd war, hätten einiges durcheinandergebracht und Symbole für Tatsachen gehalten.
    Natürlich wimmelt es in den Evangelien von Unstimmigkeiten und Sinnwidrigkeiten. Sie gleichen einem verlorengegangenen Text, den wir uns nur noch in ungefähr vorstellen

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