Weg der Träume
Prolog
Wo genau fängt eine Geschichte an? Im Leben gibt es selten einen eindeutigen Anfang, Momente, von denen wir rückblickend sagen können, dass mit ihnen alles begonnen hat. Aber es gibt Augenblicke, in denen das Schicksal unseren Alltag kreuzt und eine Reihe von Ereignissen in Gang setzt, deren Ergebnis wir nie hätten voraussehen können.
Es ist fast zwei Uhr nachts, und ich bin hellwach. Nachdem ich ins Bett gekrochen war, hatte ich mich fast eine Stunde lang hin und hergewälzt, bis ich schließlich wieder aufstand. Jetzt sitze ich mit dem Stift in der Hand am Schreibtisch und denke über meine Begegnung mit dem Schicksal nach. Das ist bei mir nichts Ungewöhnliches. In letzter Zeit kann ich kaum noch an etwas anderes denken.
Abgesehen von dem steten Ticken der Uhr auf dem Bücherregal ist es still im Haus. Meine Frau schläft oben, und ich starre auf die Linien des gelben Schreibblocks, der vor mir liegt, und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Nicht, weil ich mir über meine Geschichte im Unklaren wäre, sondern weil ich nicht weiß, was mich überhaupt dazu treibt, sie aufzuschreiben. Wozu soll es gut sein, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen? Schließlich ist das, was ich erzählen will, vor zwölf Jahren passiert oder eigentlich, wenn man's genau nimmt, sogar noch früher, vor vierzehn Jahren. Und doch weiß ich, dass ich versuchen muss, es zu erzählen, und sei es nur, um es alles endlich zu verarbeiten.
Meine Erinnerung an jene Zeit wird von verschiedenen Dingen unterstützt: einem Tagebuch, das ich seit meiner Jugend führe, einer Mappe mit vergilbten Zeitungsausschnitten, den Notizen über meine eigenen Nachforschungen und natürlich den offiziellen Berichten. Außerdem habe ich mir den gesamten Ablauf der Ereignisse Hunderte von Malen in Erinnerung gerufen, er ist geradezu in mein Gedächtnis eingebrannt. Doch damit allein wäre die Geschichte noch unvollständig. Andere Menschen waren von ihr betroffen, und obwohl ich alles, was geschah, aus nächster Nähe miterlebte, war ich doch nicht bei allem selbst dabei. Natürlich ist es unmöglich, jedes Gefühl oder jeden Gedanken einer anderen Person nachzuempfinden. Dennoch will ich, so gut es mir eben gelingt, genau das hier versuchen.
Dies ist vor allem eine Liebesgeschichte, und wie so viele Liebesgeschichten ist die Geschichte von Miles Ryan und Sarah Andrews aus einer Tragödie entstanden. Gleichzeitig geht es in dieser Geschichte um Vergebung, und wenn Sie zu Ende gelesen haben, hoffe ich, dass Sie verstehen, wie schwer es Miles Ryan und Sarah Andrews damals hatten. Ich hoffe, Sie werden die Entscheidungen, die sie trafen, verstehen, die guten wie die schlechten, so wie ich hoffe, dass Sie zuletzt auch meine verstehen werden.
Aber eines möchte ich klarstellen: Dies ist nicht nur die Geschichte von Sarah Andrews und Miles Ryan. Wenn es überhaupt einen Anfang gibt, dann ist er bei Missy Ryan zu suchen, der Jugendliebe eines Deputy Sheriff in einer Kleinstadt in den Südstaaten.
Missy Ryan stammte wie Miles, ihr Mann, aus New Bern. Nach allem, was man sich über sie erzählte, war sie charmant und freundlich, und Miles liebte sie, seit er sie in der Highschool kennen gelernt hatte. Missy hatte dunkelbraune Haare und noch dunklere Augen und sprach, wie man mir versicherte, mit einem Akzent, bei dem Männern aus anderen Teilen des Landes die Knie weich wurden. Sie lachte gern, hörte aufmerksam zu und legte ihren Gesprächspartnern häufig die Hand auf den Arm, als wolle sie sie in ihre eigene Welt einladen. Und wie die meisten Frauen aus den Südstaaten war sie stärker, als man zunächst annahm. Sie, nicht Miles, war die Seele des Hauses, und die Freunde, die Miles hatte, waren in aller Regel die Männer von Missys Freundinnen, und ihr Leben drehte sich in der Hauptsache um ihre Familie.
In der Highschool war Missy Cheerleader gewesen. Im zweiten Jahr war sie beliebt und umschwärmt, und sie kannte Miles Ryan bereits, aber er war ein Jahr älter als sie, und sie besuchten nicht die gleiche Klasse. Nicht, dass dies ein Hinderungsgrund gewesen wäre. Freunde stellten sie einander vor, und danach traf en sie sich immer häufiger in der Mittagspause, redeten nach den Footballspielen noch miteinander und verabredeten sich am letzten Wochenende der Spielsaison zu einer Party. Bald waren sie unzertrennlich, und als Miles Missy ein paar Monate später fragte, ob sie mit ihm zum Abschlussball gehen würde, waren sie bereits ein
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