Ein Mensch namens Jesus
schnalzte er mit den Fingern, und zwei Helfer packten den Verurteilten bei den Armen und schleiften ihn zu dem Pfosten. Seine Beine gaben unter ihm nach. Man stellte ihn wieder auf die Füße und drückte ihn gegen den Pfahl. Über seine Arme wurden zwei Seilschlingen gezogen, die man unter seinen Achseln festzurrte. Auf einer Leiter sitzend, befestigte inzwischen der Henker den Querbalken mit Hilfe verschränkter Knoten am Pfosten.
Nachdem das Kreuz somit errichtet war, warfen die Helfer die freien Seilenden über den Querbalken und zogen den keuchenden Räuber in die Höhe, dessen Sohlen nun kaum einen Meter über dem Boden schwebten.
»Na, dann mal los!« sagte der Henker.
Die beiden Legionäre hielten sich wegen des Fäulnisgestanks der verwesenden Leiche in einiger Entfernung. Der Henker nahm nun seine Leiter, lehnte sie von hinten gegen die linke Hälfte des Querbalkens und zog aus der großen Tasche seiner Lederschürze einen Nagel, lang wie seine Hand, und einen Hammer. Dann griff er sich das linke Handgelenk des Räubers, drückte es gegen das Balkenende und befühlte die Sehnen, um die Stelle auszumachen, wo der Nagel eingeschlagen werden sollte: vor dem Handgelenk, zwischen Speiche und Elle. Mit einem kräftigen Schlag rammte er den Nagel zunächst einen Finger breit hinein. Der Räuber stieß ein lautes Geheul aus, dessen Echo rings um die Schädelhöhe widerhallte und das in den gelben Himmel aufstieg, wo es seinen schrillsten Höhepunkt erreichte, bevor es in heiseren, nahezu animalischen und von Krämpfen geschüttelten Lauten verebbte.
»Gute Lungen, was?« meinte der Henker. »Die werden dich ein bißchen länger am Leben erhalten.« Und er trieb den Nagel mit kräftigen Hammerschlägen in das Holz. Der Räuber weinte. Das Blut floß ihm vom Handgelenk und tropfte auf die ausgedörrte Erde unter dem Kreuz, wo sich dunkle Recken bildeten. Der Henker stieg von seiner Leiter und stellte sie auf die rechte Seite hinüber. Diesmal versuchte der Räuber, sich zu wehren. Zweimal befreite er seine Hand wieder aus dem Griff des Peinigers, der dabei beinahe das Gleichgewicht verlor. Der Henker fluchte. Es gelang ihm, das rechte Handgelenk auf dem Querbalken festzuhalten, und er jagte, ohne soviel Sorgfalt wie beim erstenmal darauf zu verwenden, daß er auch die richtigen Sehnen fand, den zweiten Nagel mit aller Wucht und gewissermaßen bis zum Anschlag hinein, während der Räuber keuchend aufschrie.
»Ihr könnt jetzt auslassen«, befahl der Henker seinen Helfern.
Die Seile gaben nach, und augenblicklich sackte der Körper des Verurteilten ab. Seine Schultern krachten, und das Gesicht wurde aschfahl. Ein Gurgeln drang aus seiner Kehle, das war alles, was sein gemarterter Körper noch zu äußern vermochte. Der ganze Mann hing jetzt an seinen festgenagelten Handgelenken. Mit der Spitze eines Stabes lösten die Helfer die Schlingen und wickelten die Seile auf. Der Henker stieg erneut von seiner Leiter und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er beugte sich über die Füße des Opfers und packte sie, um sie ein wenig anzuheben, so daß sie, einer über dem anderen, auf einem bereits am Kreuz befestigten, schräg abfallenden Block eine Stütze fanden. Mit einem einzigen Nagel befestigte er beide am Block. Dann bestieg er noch einmal seine Leiter, um über dem Kopf des Verurteilten ein kleines Holzbrett anzunageln, auf dem ein einziges Wort stand: RÄUBER.
Die Legionäre schien die Kreuzigung nur wenig zu interessieren; sie besahen sich das höchste Kreuz, an dessen Spitze ein anderes Schild mit der Aufschrift MÖRDER befestigt war. Unter dem Schild hing ein noch lebender Mann, der ihnen die Zunge herausstreckte. Der Henker wusch sich die Hände in einer großen Schüssel, warf einen Blick auf den Räuber, dem der Speichel aus dem Mund tropfte, und gesellte sich zu den Römern.
»Der da sieht aus, als würde er durchhalten«, sagte der eine Legionär und wies mit dem Kinn auf den Mörder.
»Hm«, antwortete der Henker. »Ist erst seit drei Tagen hier. Ein Zelot. Hat einen Soldaten erstochen. Ihr müßtet eigentlich über die Sache Bescheid wissen.«
»Ach, der ist das!«
Der Mann dort oben, ein kräftig gebauter Bursche, sah auf die Zuschauer herab. Seine geschwollene, purpurrote Zunge hing ihm über die blutleeren Lippen, doch vor allem seinen Schultern, die bis zum Zerreißen gedehnt waren, sah man an, wie sehr er leiden mußte. Der Gekreuzigte reckte ein wenig den Hals und krächzte mit
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