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Ein Mörder kehrt heim

Ein Mörder kehrt heim

Titel: Ein Mörder kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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alles, was er tat, nur dem Wohl seiner Fahrer diente. Die ihn zum Dank nach Strich und Faden betrogen. Da aber Mohammed ihn mahnte, barmherzig zu sein, hatte Ülcan noch nie einen seiner Lenkradknechte rausgeschmissen. Obwohl dieses Pack es tausendfach verdient hätte. Matti stellte sich vor, wie er den Steinzeit-Daimler durch die Stadt steuerte, die milde Luft in der Nase, die blühenden Bäume und Büsche vor Augen. Und die schon sommerlich gekleideten Frauen im Blick.
    Dornröschen hatte am Abend erzählt, dass es in ihrer Stadtteilzeitung gerade gut lief, das Blättchen war also nicht praktisch, sondern nur theoretisch pleite, was die WG als epochalen Fortschritt pries. Dornröschen war die Chefin in der Redaktion, in der es natürlich keinen Chef gab.
    Twiggy hatte sich wieder in der Nacht herumgetrieben und war mit einem Karton feinsten Espressokaffees heimgekehrt. Im Vorratsschrank hatte er Dosen mit Thunfischkatzenfutter getürmt, und so war auch Robbi zufrieden. Matti fiel ein, dass sie in letzter Zeit Momente der Sorgenlosigkeit erlebt hatten. Es war zu gut, um wahr zu sein.
    Wie zur Bestätigung klingelte das Telefon im Flur. Niemand bewegte sich. Es klingelte wieder. Matti warf einen Blick zu Dornröschen, die hatte sich das Feuilleton geschnappt und rümpfte die Nase. Twiggy hob den Kater auf seinen Schoß. Beim fünften Klingeln schnaufte Matti empört und latschte in den Flur.
    Â»Ja?«, fragte er unwillig.
    Â»Spreche ich mit Matthias Jelonek?« Eine Frauenstimme, jung, aufgeregt.
    Â»Ja, mit wem spreche ich?«
    Â»Anja Barth.«
    Â»Und was wollen Sie?«
    Â»Mit dir reden.«
    Â»Aha. Worüber? Warum?«
    Â»Das würde ich dir lieber nicht am Telefon erzählen.«
    Â»Woher hast du meine Nummer?«
    Â»Nicht am Telefon.«
    In der Stimme lag ein Drängen. Sie musste ihn um jeden Preis sprechen.
    Â»Ich weiß nicht«, sagte Matti. »Ich kenne dich nicht.«
    Â»Aber du kennst … Ingeborg.«
    Â»Hm.«
    Â»Ihr habt euch wegen ihr gestritten, am 17. Januar 1972, auf einer der letzten Redaktionssitzungen der Agit 883 . Mehr kann ich jetzt nicht sagen.«
    Matti überlegte kurz. Nein, das war keine Falle oder eine verdammt gute. »Kann ich dich zurückrufen?«
    Â»Ja.« Sie nannte eine Handynummer.
    Â»Ingeborg, Ingeborg, da war doch was?«, sagte Matti, als er wieder am Küchentisch saß.
    Twiggy runzelte die Stirn. Dornröschen kratzte sich hinterm Ohr und gähnte. Sie trug das rote Seidenkleid, das ihr so gut stand, und guckte Matti durch die runden Gläser ihrer silbrigen Brille fragend an.
    Â»Nachname ist vielleicht Barth. Jedenfalls nannte sich die Frau am Telefon so und behauptete, Ingeborgs Tochter zu sein. Sie sagte, ich hätte mich wegen Ingeborg auf einer Redaktionskonferenz von Agit 883 gefetzt. Sie konnte sogar das Datum nennen. 17. Januar 1972.«
    Â»Kurz vor Ultimo also. Was war da?«, fragte Twiggy.
    Â»Keine Ahnung«, erwiderte Matti.
    Â»Und mit wem sollst du dich gefetzt haben?«
    Matti zuckte mit den Achseln.
    Â»Ihr habt wohl Alzheimer«, sagte Dornröschen. Sie lachte. »Ingeborg Barth, die kennen wir. Wenigstens den Namen. Die gehörte zur RAF . War aber eher ein kleines Licht. Irgendwann, 1972 glaube ich, ist sie verschwunden. Und nicht mehr aufgetaucht.«
    Twiggy schlug sich an die Stirn. »Und keiner wusste, was mit der passiert ist.«
    Â»Genau«, sagte Dornröschen. »Mal hieß es, Baader habe sie erschossen, weil sie auspacken wollte. Dann hieß es, sie sei abgetaucht, Bagdad oder so. Hat jedenfalls ein Kronzeuge behauptet.«
    Â»Wegen der soll ich mich gestritten haben, sagt diese Anja. Ich kann mich echt nicht erinnern. Aber Barth, jetzt weiß ich es auch wieder.« Er hatte es verdrängt, klare Sache. Matti versuchte sich zu entsinnen, worum es auf dieser Redaktionssitzung gegangen sein konnte. Aber er kam nicht drauf. Wahrscheinlich um den bewaffneten Kampf, revolutionäre Gewalt oder die Anmaßung, anstelle der Arbeiterklasse zu kämpfen. Es kam ihm unendlich lang her vor. Er hatte an einigen dieser für alle offenen Zusammenkünfte teilgenommen, auf denen die Basis entschied, was in der Anarchozeitschrift erschien. Aber er war erst in der Endphase dazugestoßen, bald danach war das Blatt eingeschlafen.
    Robbi begann laut zu schnurren. Twiggy kraulte, was das Zeug hielt.
    Â»Und wenn das eine Provokation

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