Ein Mörder kehrt heim
Leiche. Die sitzt am Café und ist fix und fertig. Sie hat den Toten gefunden.«
»Die Leiche soll ihr Vater sein?«, fragte Schmelzer ungläubig.
»Sagt sie.«
»Und dann werden Sie uns vielleicht den Namen des unsichtbaren Opfers nennen können?«
»Georg Westreich.«
Schmelzer überlegte. »Westreich, Westreich ⦠der von der Richter-Entführung?«
»Vielleicht.«
»Den suchen wir immer noch. Und Sie haben gewusst, dass er in Berlin ist? Sie hätten uns informieren müssen. Sie haben sich strafbar gemacht.«
»Bleiben Sie auf dem Teppich, Herr Wachtmeister. Ich habe bis eben nichts gewusst. Bis Anja mich anrief. Und dann habe ich Sie angerufen. Aber Sie glauben mir kein Wort. Stattdessen verdächtigen Sie mich. Beim nächsten Mal erfahren Sie nichts.«
Schmelzer lachte.
»Jetzt mal ernst, was haben Sie Westreich vorzuwerfen, was nicht schon verjährt ist?«, fragte Matti.
»Mord«, sagte Schmelzer fast lässig.
»Beihilfe, mehr war das nicht«, sagte Matti. »Wenn überhaupt. Sie wissen doch gar nicht, ob der geschossen hat.«
»Das ist egal«, sagte Schmelzer. »Er war dabei, das reicht.«
»Eine komische Rechtsprechung. Die Gerichte haben reihenweise KZ-Wärter gestreichelt, weil sie denen keinen ⦠wie heiÃt es so schön ⦠persönlichen Tatbeitrag nachweisen konnten, der übers Normalmorden hinausging. Aber wenn es gegen links geht, kommt es aufsolche Lappalien nicht an.«
»Ach, Herr Jelonek. Sie immer mit Ihren Haarspaltereien. Da seid ihr Linken wirklich unschlagbar.«
Matti wandte sich ab und ging zurück zum Café. Zweifel an Anjas Darstellung mehrten sich. Aber warum sollte sie dieses Theater aufführen? Was hätte sie davon? AuÃerdem hatte er Westreichs Leiche doch gesehen. Und es klang plausibel, dass Georg seine Tochter sehen wollte, bevor er im Knast verschwand. Oder was immer er vorhatte. Aber bestimmt wollte er ihr seine Geschichte erzählen, bevor die Zeitungen sie breittraten. Und ihre Geschichte wollte er ihr auch erzählen. Matti überlegte, wie er es auffassen würde, wenn einer käme und sagte, deine Mutter ist abgetaucht und hat dich weggeben, und der Mann, den du für deinen Vater hältst, ist nicht dein Vater. Ich bin dein Vater, und ich habe mich genauso wenig um dich geschert wie deine Mutter. Der revolutionäre Kampf war mir wichtiger als du.
Bei Anja saà eine Frau mit kurzen grauen Haaren und redete auf sie ein. Als Matti näher war, hörte er Satzfetzen: »Versuchen Sie ruhig zu atmen ⦠Weinen ist gut â¦Â«
Anja schaute auf und blickte zu Matti. Der schüttelte den Kopf. »Er ist verschwunden. Einfach weg.«
Anja guckte ihn fassungslos an.
»Guten Tag, ich bin Helga Gruber, Psychologin.« Sie hatte warme Augen.
Wo kam die plötzlich her? Er reichte ihr die Hand. »Ich bin ein Freund â¦Â«
»Ich weiÃ, Herr Jelonek. Verschwunden, sagen Sie? Das ist ja merkwürdig ⦠Setzen Sie sich doch zu uns.«
Matti zog einen Stuhl heran.
Anja war leichenblass, hatte sich aber anscheinend beruhigt. Sie blickte Matti an.
»Die Bullen suchen Spuren und Zeugen. Vielleicht finden sie was.«
»Man kann doch nicht einfach so eine Leiche wegtragen, ohne dass es jemandem auffällt«, sagte Anja.
Matti zuckte mit den Achseln. »Tja, sollte man glauben.«
»Du hast doch auch gesehen, dass es ⦠Georg war?«
»Ja. Das war er. So viel Ãhnlichkeit gibtâs nur bei eineiigen Zwillingen. Aber Georg hatte keine Geschwister.«
Frau Gruber hörte zu.
Matti wandte sich an sie: »Wir haben uns das nicht eingebildet. Da lag eine Leiche. Und sie sah aus wie Westreich. AuÃerdem war da noch ein Jogger.«
»Ja, das glaube ich Ihnen. Und wo ist der Jogger jetzt?«
»Weg. Wie ich die Bullen kenne, wittern die einen Trick, eine Provokation.«
Frau Gruber lächelte. »Vielleicht haben die Polizisten mit so was Erfahrungen machen müssen?«
»Ich erfinde doch keine Leiche. Und sie« â ein Blick zu Anja, dann zurück zu Frau Gruber â »schon gar nicht. Was für einen Sinn soll es haben, dass Anja den Bullen weismacht, sie habe die Leiche ihres Vaters gefunden?«
»Das frage ich mich auch«, sagte Schmelzer.
Matti erschrak. Der Oberbulle stand plötzlich am Tisch, einen Jungbullen im Schlepptau.
»Wir haben keine Spuren
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