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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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darüber gesprochen?«
    »Natürlich«, sagt Eve, plötzlich abblockend, »schließlich hast du mich darum gebeten, oder? Er sagt, jeder Mensch bekommt obszöne Anrufe, und du sollst einfach immer sofort auflegen, wenn der Typ dich belästigt.«
    »Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob es überhaupt ein Mann ist! Es ist eine so komische Stimme. Ich kann nicht sagen, ob sie alt oder jung klingt, männlich oder weiblich …«
    »Aber natürlich ist es ein Mann«, erklärt Eve rundheraus. »Keine Frau würde eine andere Frau mit obszönen Anrufen belästigen.«
    »Es ist viel schlimmer als obszöne Anrufe! Er sagt, er wird mich umbringen! Er sagt, daß ich die nächste sein werde! Warum starrst du mich so an?«
    Eve will schon gegen diesen Vorwurf protestieren, ändert ihre Meinung aber plötzlich. »Ich habe mich nur gerade gefragt, ob die Anrufe anfingen, bevor Paul wegging oder danach«, gesteht sie und versucht, ihren Verdacht durch ein mitfühlendes Lächeln abzumildern.)
    Genau das fragt sich auch Joanne, und verzweifelt bemüht sie sich, die Ereignisse der letzten Monate in eine zeitliche Ordnung zu bringen. Aber wie ein Kind, das sich in dem ewigen Rätsel vom Huhn und dem Ei verfangen hat, ist sie unfähig, herauszufinden, welches Geschehnis sich vor welchem ereignete.
    Alles, was sie weiß, ist, daß sich in den letzten Monaten ihr ganzes Leben umgedreht hat, daß sie an ihren Füßen von der Decke herabhängt und zusieht, wie vertraute Dinge ihr entgleiten, plötzlich verzerrt und fremd erscheinen. Da ist nichts, wonach sie greifen kann, da sind keine Arme, die sie zurück in Sicherheit ziehen. Irgendwie findet sich alles, hört sie Lulu sagen. Die Tochter gebraucht absichtlich dieselbe Floskel, die Joanne früher so oft verwendete und mit der, sie erinnert sich, ihre eigene Mutter ihr immer in den Ohren lag.
    Joanne steht auf. Sie registriert, daß das Telefon nicht mehr klingelt. Sie geht um den Pool herum zum seichten Teil des unfertigen Beckens und steigt die drei Stufen in die Baugrube hinunter. Vielleicht bin ich verrückt, denkt sie, und sie beschließt, dies als die einfachste Lösung ihrer Probleme zu betrachten.
    Sie beobachtet, wie die Welt vor ihr zurückweicht, während sie, Joanne Hunter, immer weiter zum tiefen Teil des leeren Betonbeckens vordringt. An der Wölbung, wo die Biegung des Bumerangs beginnt, preßt sie ihren Rücken gegen den rauhen Beton und läßt sich langsam entlang der grobkörnigen Oberfläche zu Boden gleiten. So hockt sie da, die Knie an die Brust gezogen, und sie hört, wie das Telefon an der Küchenwand wieder beharrlich zu klingeln beginnt. Jetzt sind nur noch wir beide da, du und ich. In stummer Bestätigung dieser unausgesprochenen Tatsache nickt sie langsam und versucht, Bilder aus glücklicheren Tagen heraufzubeschwören.

2
    Joanne erinnert sich: Als Eve vor zwei Monaten an der Haustür erschien, hatte kurz zuvor das Telefon geklingelt. »Hallo?« sagte Joanne in die Muschel hinein, mehr eine Feststellung als eine Frage. »Hallo. Hallo?« Sie zuckte mit den Achseln und legte auf. »Kinder«, murmelte sie. Noch einige Minuten später, als sie Eve ins Haus bat, war sie so verwundert, daß sie immer wieder den Kopf schüttelte.
    »Fertig?« fragte Eve.
    »Ich muß nur noch meinen Schläger finden.« Joanne öffnete den Wandschrank in der Diele. »Hier irgendwo habe ich ihn vergraben, glaube ich.«
    »Also beeil dich! Soviel ich gehört habe, ist der neue Trainer prima, und ich möchte nicht eine Minute von unserer Stunde versäumen.«
    »Ich weiß einfach nicht, warum ich mich von dir zu solchen Sachen überreden lasse.«
    »Weil du dich von mir schon immer zu allem hast überreden lassen. Das macht einen Teil deines Charmes aus.«
    Joanne, unter den ordentlich aufgereihten Frühlingsmänteln der Familienmitglieder hockend, unterbrach ihre Suche für einen Augenblick und wandte ihr Gesicht der Frau zu, die seit fast dreißig Jahren ihre Freundin war. »Kannst du dich erinnern, was meine Mutter früher immer gesagt hat?« Eves verständnisloser Gesichtsausdruck verriet, daß sie sich nicht erinnern konnte. »Sie hat mich immer gefragt: ›Wenn Eve dir sagen würde, du sollst von der Brooklyn Bridge springen, würdest du das tun?‹«
    Eve lachte. »Wenigstens hat sie nicht um zwei Uhr früh alle deine Freunde angerufen, um zu erfahren, wo du warst, und sie ist nie runtergekommen, ›um die Wasserleitung zu reparieren‹, wenn du mit einem Jungen im Hobbykeller

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