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Ein Hungerkünstler

Ein Hungerkünstler

Titel: Ein Hungerkünstler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Franz Kafka
    Ein
    Hungerkünstler

    Vier Geschichten
    ISBN: 3100381203
    Verlag: Fischer
    Erscheinungsjahr: 1988

    Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

    Inhalt

    Erstes Leid..................................................................3
    Eine kleine Frau .........................................................7
    Ein Hungerkünstler ..................................................17
    Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse ....30

    Erstes Leid
    Ein Trapezkünstler – bekanntlich ist diese hoch in den Kuppeln der großen Varietébühnen ausgeübte Kunst eine der schwierigsten unter allen, Menschen erreichbaren –
    hatte, zuerst nur aus dem Streben nach Vervollkommnung, später auch aus tyrannisch gewordener Gewohnheit sein Leben derart eingerichtet, dass er, solange er im gleichen Unternehmen arbeitete, Tag und Nacht auf dem Trapez blieb. Allen seinen, übrigens sehr geringen Bedürfnissen wurde durch einander ablösende Diener entsprochen,
    welche unten wachten und alles, was oben benötigt wurde, in eigens konstruierten Gefäßen hinauf und hinabzogen.
    Besondere Schwierigkeiten für die Umwelt ergaben sich aus dieser Lebensweise nicht; nur während der sonstigen Programm-Nummern war es ein wenig störend, dass er, wie sich nicht verbergen ließ, oben geblieben war und dass, trotzdem er sich in solchen Zeiten meist ruhig verhielt, hie und da ein Blick aus dem Publikum zu ihm abirrte. Doch verziehen ihm dies die Direktionen, weil er ein außerordentlicher, unersetzlicher Künstler war. Auch sah man natürlich ein, dass er nicht aus Mutwillen so lebte, und eigentlich nur so sich in dauernder Übung erhalten, nur so seine Kunst in ihrer Vollkommenheit bewahren konnte. Doch war es oben auch sonst gesund, und wenn in der wärmeren Jahreszeit in der ganzen Runde der Wölbung die Seitenfenster aufgeklappt wurden und mit der frischen Luft die Sonne mächtig in den
    dämmernden Raum eindrang, dann war es dort sogar
    schön. Freilich, sein menschlicher Verkehr war
    eingeschränkt, nur manchmal kletterte auf der Strickleiter ein Turnerkollege zu ihm hinauf, dann saßen sie beide auf 3
    dem Trapez, lehnten rechts und links an den Haltestricken und plauderten, oder es verbesserten Bauarbeiter das Dach und wechselten einige Worte mit ihm durch ein offenes Fenster, oder es überprüfte der Feuerwehrmann die
    Notbeleuchtung auf der obersten Galerie und rief ihm etwas Respektvolles, aber wenig Verständliches zu. Sonst blieb es um ihn still; nachdenklich sah nur manchmal irgendein Angestellter, der sich etwa am Nachmittag in das leere Theater verirrte, in die dem Blick sich fast entziehende Höhe empor, wo der Trapezkünstler, ohne wissen zu können, dass jemand ihn beobachtete, seine Künste trieb oder ruhte.
    So hätte der Trapezkünstler ungestört leben können, wären nicht die unvermeidlichen Reisen von Ort zu Ort gewesen, die ihm äußerst lästig waren. Zwar sorgte der Impresario dafür, dass der Trapezkünstler von jeder unnötigen Verlängerung seiner Leiden verschont blieb: für die Fahrten in den Städten benützte man Rennautomobile, mit denen man, womöglich in der Nacht oder in den
    frühesten Morgenstunden, durch die menschenleeren
    Straßen mit letzter Geschwindigkeit jagte, aber freilich zu langsam für des Trapezkünstlers Sehnsucht; im
    Eisenbahnzug war ein ganzes Kupee bestellt, in welchem der Trapezkünstler, zwar in kläglichem, aber doch
    irgendeinem Ersatz seiner sonstigen Lebensweise die Fahrt oben im Gepäcknetz zubrachte; im nächsten
    Gastspielort war im Theater lange vor der Ankunft des Trapezkünstlers das Trapez schon an seiner Stelle, auch waren alle zum Theaterraum führenden Türen weit
    geöffnet, alle Gänge frei gehalten aber es waren doch immer die schönsten Augenblicke im Leben des
    Impresario, wenn der Trapezkünstler dann den Fuß auf die Strickleiter setzte und im Nu, endlich, wieder oben an seinem Trapez hing.

    4
    So viele Reisen nun auch schon dem Impresario
    geglückt waren, jede neue war ihm doch wieder peinlich, denn die Reisen waren, von allem anderen abgesehen, für die Nerven des Trapezkünstlers jedenfalls zerstörend.
    So fuhren sie wieder einmal miteinander, der
    Trapezkünstler lag im Gepäcknetz und träumte, der
    Impresario lehnte in der Fensterecke gegenüber und las ein Buch, da redete ihn der Trapezkünstler leise an. Der Impresario war gleich zu seinen Diensten. Der
    Trapezkünstler sagte, die Lippen beißend, er müsse jetzt für sein Turnen,

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