Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
Vom Netzwerk:
darstellte.
    Nun war das Examen bestanden und im Kreise trauter Freunde beim Becher Wein gefeiert worden. Erich saß wieder allein in seinem Laboratorium. Die nächsten Tage wollte er auf dem Bredowschen Gut mit seinem Freund Kurt zusammen verbringen. Seine Retorte enthielt noch eine stattliche Portion eines chemisch reinen Eiweißes.
    »Ich will dem alten Inspektor eine Freude machen«, murmelte er jetzt vor sich hin. »Ich will ihm ein künstliches Hühnerei mitbringen.« Freilich waren ihm die gelben Stoffe des Eidotters noch wenig bekannt. Sein Laboratorium enthielt aber Fettstoffe aller Art. Er hatte im Laufe seiner Forschungen die Nährsalze des Eies sämtlich isoliert und künstlich dargestellt und verfügte endlich über den typischen gelben Farbstoff des Eies, eine Verbindung des Eisens mit dem gewöhnlichen Hühnereiweiß. »Wir müssen ein wenig fälschen«, sprach er lächelnd vor sich hin und begann verschiedene Fette mit etwas reinem Eiweiß und dem gelben Farbstoff zu mischen. Als die Masse gleichmäßig durchgerührt war und völlig dem natürlichen Eigelb glich, füllte er sie in eine Platinkugel und tauchte sie wenige Sekunden in siedendes Wasser. Als er die Platinkugel öffnete, lag das Gelbe in geronnenem Zustand als feste Kugel da. Jetzt nahm er eine größere Platinform von der Gestalt eines Eies, legte die Kugel hinein und goß flüssiges Eiweiß zu, bis die Form gefüllt war. Dann tauchte er sie wiederum in das kochende Wasser und zog in Kürze ein weißes Ei, freilich noch ohne Schale, heraus. »Jetzt noch die Schale«, murmelte er vergnügt vor sich hin und bereitete eine kalkartige Flüssigkeit. Mit einem feinen Haken faßte er das künstliche Ei, tauchte es einige Male in die Flüssigkeit und hob es in die Luft. Sofort erstarrte der kalkhaltige Überzug und es bildete sich eine veritable Eierschale. Es lag ein Ei vor ihm, welches äußerlich so vollkommen einem Hühnerei glich, daß er es jederzeit auf dem Markt hätte verkaufen können.
    »Ein kostbares Ei«, flüsterte er, während er sein Erzeugnis betrachtete. »Auf dem Markt kostet es einen Groschen. Mich kostet es fünf Jahre Studium und nur allzu viele durchwachte Nächte. Aber eine kleine Freude soll der Inspektor doch haben. Dies Mitgebrachte wird ihn wundern.« Mit diesen Worten verschloß er das kostbare Ei in einem Samtetui und ging zur Ruhe.

8
    Der alte Inspektor war in der Zwischenzeit noch grauer und hinfälliger geworden. Als er heute seine jungen Gäste bewillkommnete, lag jene Müdigkeit in seinem Gesicht, welche eine baldige Auflösung vorausahnen läßt. Beim gemeinschaftlichen Mahle wurde er aber gesprächig und bald war die Rede bei dem alten Steckenpferd aller, bei der Herstellung der künstlichen Nahrungsmittel angekommen. Man sprach von Erichs Doktorarbeit und vom künstlichen Hühnereiweiß.
    »Da habe ich Ihnen etwas mitgebracht«, begann jetzt Erich und holte sein Etui heraus. »Ein Hühnerei frisch aus meinem Laboratorium. Die Stoffe, die es bilden, sind in der Urform, sind als Kohle und Schwefel, als Wasser und Luft in mein Laboratorium gekommen.«
    Der Inspektor schüttelte den Kopf und betrachtete das Kunstei von allen Seiten. Dann verließ er schweigend das Zimmer. »Er holt die Konkurrenz«, spöttelte Kurt. In der Tat hatte der Alte seinen Hühnerstall besucht und kehrte mit zwei frisch gelegten Eiern in der Hand wieder. »Nun laßt Euer Kunstprodukt einmal sehen«, begann er und betrachtete Erichs Fabrikat. »Hm, von außen ziemlich ähnlich«, begann er darauf, »aber auch nur von außen. Je tiefer man eindringt, desto mehr merkt man den Schwindel!« Mit diesen Worten hielt er erst das frische Hühnerei mit beiden Spitzen abwechselnd an die Lippen und darauf das Kunstei. »Macht den Versuch einmal nach«, sagte er dann zu seinen Gästen, und als sie es taten, fragte er weiter, »fühlt ihr etwas?«
    »In der Tat«, sagte Kurt, »das frische Ei ist an der einen Spitze merklich warm, an der anderen merklich kalt, während das Kunstei überall gleiche Temperatur zeigt.«
    »Also doch«, erwiderte der Alte. »Der Unterschied scheint klein, aber er ist riesengroß. Dies frische Ei lebt. Wenn ich es der Henne unterschiebe oder in den Brutofen lege, so wacht dies schlummernde Leben auf. In neun Tagen bildet sich ein fertiger kleiner Vogel in der Schale. In neun Tagen sprengt ein lebendiges Wesen die Schale, welches bereits mit ganz bestimmten Absichten und Instinkten das Sonnenlicht sieht und bereits den

Weitere Kostenlose Bücher