Ein schmutziges Spiel
meinen Willen musste ich grinsen: Der kleine Fersenbeißer wich nicht von der Stelle. Alle viere abgespreizt schien er bereit, mich wie ein Stück Vieh nach Hause zu treiben.
»Okay, aus, Dex.« Der Köter kläffte zufrieden. Immerhin konnte ich darauf vertrauen, dass er seine Zähne von meinen Fersen fernhielt, solange ich nur weiterging.
El Balcón war ein schmaler, in den Hang getriebener Weg und so steil, dass er dem Wort Böschungswinkel eine ganz neue Bedeutung gab. Drei Häuser, erbaut in einer Zeit, in der die Auflagen lasch gewesen waren, klebten an drei beinahe lotrecht abfallenden Grundstücken. Mein Haus war das dritte und letzte, errichtet als eine Art nachträglicher Einfall, der nicht viel Einfallsreichtum erfordert hatte. Irgendwie hatte der Bauherr es geschafft, eine Terrasse anzulegen und ein winziges Haus auf den steil abschüssigen Boden zu stellen, dazu eine allein stehende Garage, die vielleicht gerade groß genug war für einen Mini Cooper. Dann hatte ein früherer Eigner die Garage in ein Studio umgewandelt und eine noch kleinere Garage, die inzwischen reichlich baufällig war, an den Hang geklemmt.
Eigentlich hatte ich nie ein Haus in Santa Barbara kaufen wollen. Die Preise waren astronomisch. Aber eines Morgens, als ich über die Klippe geradelt war, hatte ich auf halbem Wege den eichenbewachsenen Hügel hinauf das Schild einer Immobilienmaklerin entdeckt.
»Wie besichtigt«, lauteten die ersten Worte aus Tiffany Tangs Mund. »Und Sie werden einige Verzichtserklärungen abgeben müssen. Ich werde Sie nicht belügen, dieser Hügel da hinten könnte instabil sein. Ich sage nicht, dass es so ist, aber Sie sollten wissen …«
Ich hatte ihre Worte gar nicht richtig erfasst, denn Tiff war klug genug, sie zu äußern, als wir auf der eins fünfzig schmalen Veranda hinter dem Haus standen, die auf den Hafen und die Channel Islands und weiter fast bis nach China hinausblickte. Dieser Ort war zum Sterben schön, hatte ich damals gedacht. Sollte natürlich durch ein großes Beben der Hang abrutschen, dann konnte man hier schneller sterben als erwartet.
Ich erreichte meine Einfahrt. Von da an wurde es steiler und ich langsamer. Wieder kniff etwas in meine Ferse, dieses Mal sanfter, ermutigend. Ich ließ das Fahrrad im überdachten Durchgang zwischen Haus und Garage stehen und ging um die Ecke, um die Studiotür aufzuschließen.
Dexter flitzte an mir vorbei und schoss auf den Futon. Der sture Köter hatte meinem Bruder gehört. Ich hatte Dex eine Woche nach Brodies Tod entdeckt. Bis dahin hatte er sich mit Witz und Charme im Jachthafen durchgeschlagen – ganz ähnlich wie mein Bruder, wie ich später herausgefunden hatte. Der Köter hatte seine schlechten Seiten verheimlicht, bis er sicher war, dass er sich einen Platz in meinem Herzen erkämpft hatte.
Ich plumpste in den Papasansessel und zog die Beine an. »Hey, Brod … wie läuft es so?«, versuchte ich es leise, erhielt aber wie üblich keine wie auch immer geartete Antwort, keinen Anlass zu glauben, dass er da war.
Ich wusste, was manche Leute über mich dachten: Es ist schon drei Jahre her. Warum lässt Jaymie nicht endlich los?
Ich erinnerte mich daran, wie Brodie als Kind gewesen war, sommersprossig, alarmierend überdreht und aufreizend schelmisch. Einmal, als er acht gewesen war, hatte er eine große Heuschrecke im Garten gefunden und in meinem Bett versteckt. Ich sah noch immer den Ausdruck in seinem sommersprossigen Gesicht vor mir, als ich damals geschrien hatte, eine widerstreitende Mischung aus Reue und purem Entzücken. Würde ich loslassen, wer würde sich dann noch an meinen Bruder erinnern? Und wenn sich niemand mehr an ihn erinnerte, dann wäre er endgültig verschwunden.
Zehn oder fünfzehn Minuten saß ich da und ließ zu, dass der Strom meiner Erinnerungen durch meinen Geist mäanderte. Dann, endlich, stand ich auf. »Dex? Kommst du mit? Ich gehe ins Haus.«
Der Hund, fest zusammengerollt, zog kurz eine hellbraune, runde Braue hoch und ließ sie wieder fallen.
»Also gut, wie du willst.« Ich ließ die Tür offen stehen. Dex würde mir folgen, wenn ihm danach war.
Im Haus schenkte ich mir ein Glas Wein aus dem Kühlschrank ein und ging hinaus, um mich in den alten Brasilholzsessel zu setzen und auf den Kanal hinauszublicken. Ich trank einen tiefen Schluck, schloss die Augen und ließ die eiskalte Flüssigkeit durch meine Kehle rinnen.
Als ich gerade anfing, mich zu entspannen, rasselte das Handy in meiner
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