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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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schlauerweise eine Ausgabestelle für Methadon in dem Shoppingcenter auf der anderen Seite der Straße eingerichtet, was die Junkies anlockte. Wer Geld hatte, zog in andere Viertel, die Schulen wurden schlechter, und die ganze Zeit über versuchten Rhea und Lars ihm weiszumachen, dass das ein «Viertel mit Charakter» sei. Doch Sheldon sah nichts als Gefahren.

    Zum Glück gab es immerhin keine Nordkoreaner, diese kleinen schlitzäugigen Halunken. Falls es welche gab, würden sie auffallen. Einen Nordkoreaner in Norwegen zu verstecken ist schwierig. Einen in New York zu verstecken ist so, als würde man einen Baum im Wald verstecken. Sie sind an jeder Straßenecke zu finden, verkaufen Blumen oder führen Lebensmittelgeschäfte. Ihre kleinen Knopfaugen starren dir hinterher, während du die Straße entlanggehst, und dann telegraphieren sie gleich nach Pjöngjang, um deine Koordinaten durchzugeben.
    Sie hatten ihn seit 1952 auf dem Schirm, ganz sicher. Wenn man zwölf Männer namens Kim von einer Ufermauer in Incheon weggeputzt hat, kann man kaum auf Vergeben und Vergessen hoffen. Nicht bei den Koreanern. Sie haben die Geduld der Chinesen, kombiniert mit einem italienisch anmutenden Hang zur
vendetta
. Und sie können sich anpassen. Oh, Sheldon brauchte Jahre, um zu lernen, wie man sie erkannte, ihre Anwesenheit erspürte, ihnen aus dem Weg ging, sie austrickste.
    Hier war das anders. Hier fielen sie auf, und zwar extrem. Jeder einzelne koreanische Halunke. Jeder gehirngewaschene Irre, der wiederum unter Beobachtung des nächsten gehirngewaschenen Irren stand, für den Fall, dass der erste einen Anfall von selbständigem Denken erlitt.
    «Hört mal gut zu, ihr Bastarde!», würde er ihnen am liebsten zurufen. «Ihr habt den Krieg angefangen! Und wenn ihr das kapiert habt, ist mal eine saftige Entschuldigung fällig!»
    Dabei ist Sheldon nach wie vor der Meinung, irregeleitete Menschen seien nicht verantwortlich für ihre Taten.
    Mabel verstand nie, was er gegen Koreaner hatte, sie sagte, er würde sich da in etwas hineinsteigern, auch sein Arzt wäre dieser Meinung, und dass er allmählich zur Vernunft kommen und einsehen müsse, dass er niemals ein romantischer Scharfschütze war, sondern ein langweiliger Angestellter in Pusan, den mit Sicherheit kein einziger Koreaner verfolgte.
    Er habe nie jemanden erschossen. Habe nie aus Wut zum Gewehr gegriffen.
    Ein paar Monate vor ihrem Tod schnitt sie das Thema wieder an.
    «Du wirst allmählich senil, Donny.»
    «Werde ich nicht.»
    «Du veränderst dich. Das sehe ich.»
    «Du bist schwer krank, Mabel. Klar, dass mich das mitnimmt! Außerdem behauptest du das schon seit 1976 . Vielleicht bin es ja gar nicht ich, der sich verändert, sondern du bist es. Womöglich wirst du langsam immun gegen meinen Charme.»
    «Das war doch kein Vorwurf. Sie nennen es jetzt Demenz. Du bist über achtzig. Rhea hat mir erzählt, über fünfundzwanzig Prozent von uns kriegen Alzheimer. Das ist etwas, worüber wir reden müssen.»
    «Ist es nicht!»
    «Du musst mehr Fisch essen.»
    «Muss ich nicht!»
    Rückblickend war das eine ziemlich kindische Antwort gewesen, aber es war auch ein bewährtes Totschlagargument.
    Seine Erinnerungen wurden mit dem Alter einfach immer lebendiger. Die Zeit verstrich auf eine neue Art. Wenn man keine Zukunft mehr hat, besinnt sich der Geist auf sich selbst. Das war keine Demenz. Es war die einzige rationale Antwort auf das Unvermeidliche.
    Und ganz davon abgesehen: Was verursachte denn solche Erinnerungen überhaupt?
    Anfang September 1952 war er in Korea verloren gegangen. Als Folge einiger Ereignisse, die nur damals einen Sinn ergaben, wurde er an der Küste von dem australischen Schiff HMAS
Bataan
aufgegriffen, das zur Task Force 91 gehörte und die Aufgabe hatte, mit einer Blockade den amerikanischen Truppen den Rücken zu decken, die am Strand landeten und unter denen sich auch Sheldon hätte befinden sollen. Aber das war nicht der Fall, denn schließlich war er ja auf der
Bataan
. Sheldon, der damals Donny genannt wurde, hätte bei der Kampfeinheit des Fünften Marineregiments sein sollen, die am Red Beach landete, doch irgendwie kam er im Zuge seiner Verlegung abhanden, denn Armeen kommt immer etwas abhanden.
    Er war zu jung zum Kämpfen gewesen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Als fünf Jahre später die Sache mit Korea begann, war ihm gleich klar, dass er diesen Krieg nicht auch noch verpassen würde, und verpflichtete sich sofort, nur um sich

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