Ein Sommer mit Danica
kühles Bier aus dem Eisschrank. Es erfrischte köstlich. Corells Kopf wurde klar – er sah an sich hinunter und schämte sich plötzlich.
»Danke, Lord –«, sagte er leise.
»Ziehen Sie sich um, Doktor. Eine Erkältung können Sie jetzt nicht gebrauchen …«
Bizeps-Karle und der fremde Hinausschmeißer halfen ihm, und plötzlich war auch der ›schöne Edy‹ da und hielt Corell den Bademantel hin. An der Heizung aufgewärmt. »Das tut gut, Dokterchen«, sagte er. »Ha, wie streichelt das die Haut …«
Corell zog den angewärmten Bademantel an und setzte sich wieder. »Nicht wahr, ich habe mich benommen wie eine Sau?« sagte er.
»Sie sind völlig außer Ihrer Haut, Doktor.« Der ›Lord‹ lächelte verbindlich. Nirgends und nie verlor er seine elegante, charmante Art. Man erzählte sich, er habe, bevor er einem Konkurrenten ein Messer in den Leib rammte, sich zuerst höflich verbeugt und »Gestatten Sie?« gesagt. »Wollen Sie alles, was Sie in diesen paar Wochen geschaffen haben, wieder versaufen?«
»Ja. Und jetzt endgültig!«
»Sie wollen nicht um Danica kämpfen?«
»Quatsch nicht im Stil billiger Romane, Lord! Um Danica kämpfen. Das ist doch Blödsinn. Sie ist weg, sie hat eingesehen, was für ein Mensch ich bin. Sie ist endlich wach geworden. Wo gibt es da noch etwas zu kämpfen?«
»Eine ganze Menge, Doktor. Der Kampf gegen sich selbst.«
»Lord, werde nicht philosophisch. Das ist, als wenn ein Hahn Eier legt und sie durch die Schale auch noch selbst befruchtet. Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich bin zu müde.«
»Und die neue Praxis? Dieses Wunder einer Wiederauferstehung? Wissen Sie, Doktor, daß die ganze Frankfurter Ärzteschaft Kopf steht? Daß Sie zum Roten Tuch geworden sind, gegen das alle Stiere antreten wollen, von der Ärztekammer bis zum Gesundheitsamt? Das wollen Sie alles wegwerfen? Ohne uns!« Der ›Lord‹ hob sein elegantes Stöckchen wie einen Dirigentenstab. »Doktor, Sie machen Praxis! Sie trinken nicht mehr, Sie werden arbeiten, daß Ihnen die Haut platzt! Sie werden in einem Jahr die größte und beste Praxis in Frankfurt haben … und dann holen wir Danica zurück! Wenn sie nicht schon längst von allein gekommen ist.«
»Danica nie!« Corell starrte die Männer um sich herum an. Sie grinsten ihn an mit einem Glauben an seine Tatkraft, daß ihn fast Rührung überkam. Vor allem der ›schöne Edy‹ hatte große glänzende Augen und sagte feierlich: »Dokterchen, wir alle helfen Ihnen.«
»Um Gottes willen, bloß das nicht!« Corell wandte sich zu dem ›Lord‹. »Keine krummen Touren gegen meine Kollegen! Wir sind hier nicht in Chikago.«
»Chikago ist in unseren Kreisen bloß ein historischer Name«, sagte der ›Lord‹ stolz. »Wie ist es, Doktor? Überlegen Sie es sich. Können Sie sich damit abfinden, Danica verloren zu haben? Sie lieben Danica doch!«
Corell schwieg, aber dieses Schweigen war Antwort genug. Der ›Lord‹ winkte. Ohne weitere Worte verließen sie die Wohnung. Draußen nahm Bizeps-Karle das Schild ›Praxis heute geschlossen‹ ab und zerriß es. Die Schnipsel nahm er mit.
Corell stand lange am Fenster und sah hinaus in die nebelige Nacht.
Unten, an der Ecke, in Pelzmäntel gehüllt, warteten Lisa, Erna und Fifi auf späte Kunden und winkten vorbeifahrenden Wagen zu. Aber das Geschäft lief schlecht – es war jetzt weit nach zwei Uhr morgens, und der naßkalte Nebel hielt frühe Wanderer zurück. Kein guter Tag für Dirnen.
Jetzt sitzt Danica in Piran im Wohnzimmer und weint, dachte Corell. Petar Robic läuft herum, brüllt und fuchtelt mit seiner Tokarev-Pistole herum. Stana, still wie immer, aber lebensklüger als alle zwei, denkt nach, wie alles in ein paar Wochen sein wird. Danica, warum bist du weggegangen?
Ich bin doch völlig zerstört von der Angst, dich zu verlieren.
Er drückte die Stirn gegen die kalte, feuchte Fensterscheibe und schloß die brennenden Augen.
Man kann es nicht glauben, aber es gibt es: Stehend schlief er ein, die Arme weit gespreizt, wie ans Fenster gekreuzigt.
*
Corell arbeitete in den nächsten Wochen wie ein Besessener.
Sein Wartezimmer war ständig überfüllt, jede frei Minute war er mit Hausbesuchen unterwegs, bei der Ärztekammer reichte er ein Memorandum zur Gründung einer chirurgischen Privatklinik ein unter Berufung auf seinen Facharzt für Chirurgie.
»Jetzt dreht Corell völlig durch«, sagte man am Ärztestammtisch. »Eine Privatklinik! Soll wohl so ein obskures Ding werden wie die
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