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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Dumpfheit aus ihm hinaus wie einen Schwall kalten Wassers. Er badete sich in seinen Klageworten, wälzte sich im Schall seiner Stimme, und als er fast heiser war, saß er zusammengesunken auf der Couch und stierte ins Leere.
    Das Telefon klingelte. Herr Wendel. Er warte seit einer Stunde auf den Arzt. Seine Frau Anna liege im Bett, und das Bein sei offen, sie jammere, er kenne ja seine Frau, was nun werde …
    »Ich komme«, sagte Corell dumpf. »Herr Wendel, ich komme. Ich will versuchen, mich frei zu machen.«
    »Wohl die Praxis brechend voll, Herr Doktor?«
    »Und wie! Ich weiß gar nicht, was ich zuerst tun soll …« Das war wahr, aber Herr Wendel verstand es natürlich anders.
    »Ich möchte mit Ihnen nicht tauschen, Herr Doktor«, sagte er voll Mitleid. »Natürlich warten wir, bis Sie loskommen. Ich dachte nur … ich … nicht, daß Sie uns vergessen haben …«
    »Bestimmt nicht, Herr Wendel.« Corell legte auf. Sein Kopf war schwer, wie mit Beton gefüllt. Er ging ins Treppenhaus, hängte das von Danica gemalte Schild: ›Heute keine Sprechstunde‹ an die Tür und schloß von innen ab. Dann lief er wieder wie ein Blinder in der Wohnung herum, riß die Schränke und Schubladen auf und stellte fest, daß Danica nichts mitgenommen hatte, was er ihr in den letzten Wochen gekauft hatte. Sie war so weggefahren, wie sie gekommen war. Und trotzdem war sie noch hier … ihre Kleider hingen in den Schränken, ihre Unterwäsche lag in den Schubladen, ihre Schuhe standen im unteren Fach des Kleiderschrankes. Er nahm ein Kleid heraus, legte es über die Couch, stellte ein Paar Schuhe davor und setzte sich daneben. Er flüchtete in die Illusion, Danica sei neben ihm und höre ihm geduldig zu. »Weißt du überhaupt, was das bedeutet, wenn sich ein Mann wie ich in ein Mädchen wie dich verliebt? Das ist ein Naturereignis, Danica. Was die Natur zu bieten hat – Vulkanausbrüche, Orkane, Sturmfluten, Erdbeben und Sonnenfinsternisse – alles ist vereinigt in einer einzigen Brust! Das kann man nicht erklären, das kann man nur fühlen, und man kann es kaum beherrschen. Es zertrümmert einen. Und da ist man nun ein neuer Mensch, geboren aus dieser Fülle von Glut … und plötzlich steht ein Jüngerer da, als sei er direkt aus der Sonne gefallen, und sagt: Du bist ein alter Sack! Du bist ein Spinner, daß du glauben kannst, ein Mädchen wie Danica könnte dich auf die Dauer lieben. Du bist ja nur Asche, in die man hineinbläst und die noch einmal aufleuchtet – aber danach ist endgültig Schluß, da bist du ein Haufen grauer toter Substanz, die der kleinste Windstoß wegblasen kann. Danica … wer hält das aus? Diese Wahrheit, wer hält sie aus? Denn es ist die Wahrheit, das macht alles so schrecklich –«
    Ein paarmal klingelte es an der Tür, trotz des Schildes ›Praxis heute geschlossen‹. Eine Handvoll Unentwegter wollte ihren Arzt sehen. Corell rührte sich nicht. Er saß neben Danicas Kleid auf der Couch, sprach mit ihm, als sei sie das Kleid, und sagte ihr an diesem Morgen so viel, wie er es sonst nie getan hätte.
    Dann – erst gegen Mittag – besuchte er Frau Anna Wendel, untersuchte das offene Bein, legte einen Salbenverband an und begann dann seinen früher berüchtigten und berühmten Zug durch die Lokale der Altstadt.
    Das Alarmsystem funktionierte gut. Corell ist wieder unterwegs, signalisierten die Gastwirte untereinander. Achtung! Da scheint etwas schief gelaufen zu sein. Corell ist wieder richtig gut im Tritt. Zur Zeit – es ist jetzt kurz nach 15 Uhr – tanzt er mit den Huren der Mittagsschicht Ringelreihen auf der Moselstraße. Ist denn keiner da, der ihn abholt?
    Der ›schöne Edy‹ und Bizeps-Karle waren schnell am Tatort, aber sie redeten vergebens. Corell brüllte: »Laßt mich! Ich brauche keine Kindergärtner! Edy, du schwuler Hund, verdufte!«
    Der ›schöne Edy‹ bekam wässrige Augen und verdrückte sich. Nur Bizeps-Karle folgte Corell noch wie ein riesiger Schatten … Beschützer und Aufpasser in einem. Aber auch er flehte innerlich den Abend herbei, an dem der ›Lord‹ von einer ›Geschäftsreise‹ nach München zurückkommen wollte.
    Gegen 23 Uhr saß Dr. Corell in der ›Chico-Bar‹, klopfte mit den Fäusten den Rhythmus der südamerikanischen Band mit und küßte abwechselnd zwei oben entblößte Tänzerinnen aus dem ›Original indianischen Ballett‹. Die Mädchen hießen in Wahrheit Dorlies und Franzi und stammten aus Neuss und Linz an der Donau.
    Der Auftritt des

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