Ein Sommer mit Danica
Patienten besser als sie sich selbst. Aber Danica kennen Sie nicht … nicht die Danica, die ich meine.«
»Zugegeben. Aber ich habe lange Gespräche mit ihr gehabt.«
»Worte, Vicivic. Sie wissen doch, was Worte sind, wenn man sich hinter ihnen verstecken will.«
»Und Sie wissen auch, was Worte bedeuten, wenn sie das letzte sind, was einem geblieben ist. Fliegen Sie zurück nach Frankfurt, Sascha! Ich bitte Sie …«
»Erst muß ich Danica sprechen.«
»Wie Sie wollen.« Vicivic trat aus dem Weg. »Jemand – ich weiß nicht mehr, welcher kluge Mann – hat einmal gesagt, Niederlagen werden nicht auf dem Schlachtfeld geschlagen, sondern vorher, in aller Stille, im Hirn und im Herzen.«
»Aber Siege auch, Vicivic!«
»Sie haben immer recht! Corell, Sie sind ein widerlicher Mensch!«
Sie sahen sich an, und dann lächelten sie leicht. Sie verstanden sich.
»Viel Glück –«, sagte Vicivic. »Ich bleibe mit meiner Tasche in der Nähe. Der alte Robic ist im Laden –«
Corell nickte. Er hatte keine Angst, er wollte nur Danica sehen. Er steckte die Hände in den dicken Wintermantel und ging über den Tartiniplatz zu dem kleinen Geschäft. Im Schaufenster standen ein paar Bücher und dunkelbraune, geschnitzte Holzschalen.
Um das Tartinidenkmal herum erschienen plötzlich zwei elegante Herren und folgen Corell quer über den Platz. Dr. Vicivic zog die Augenbrauen zusammen und war sich nicht schlüssig, ob das eine Situation war, in der man Duschan Dravic und seine Miliz verständigen sollte.
*
Petar Robic hob den Kopf hinter der Theke, legte die Zeitung weg und sah Corell aus gleichgültigen Augen an. Das war eine Kunst, eine gewaltige Leistung an Selbstbezwingung, die jeder versteht, der Robic kennt.
Wo ist meine Tokarev, dachte Robic dabei. Natürlich zu Hause. In der Schublade. Wer denkt denn daran, daß dieser Schuft wieder nach Piran kommt? Aber da sieht man es … man sollte Tag und Nacht bewaffnet herumlaufen, solange es Menschen wie diesen Corell auf der Welt gibt. Schlägt meinem Töchterchen die Stirne auf! Kommt es weinend angeflogen und will sterben. Aus Kummer und Liebe sterben. Was hat er bloß aus Danicanka gemacht?!
»Sie wünschen!« fragte Robic. Seine Stimme klang, als schabe man Rost von einer Eisenstange. Er sah nicht die zwei Herren, die draußen vor dem Fenster standen und durch die Scheibe in den Laden starrten.
»Petar –« sagte Corell langsam.
»Kennen wir uns? Eine Zeitung, der Herr? Oder eine Schale aus Walnußholz?«
»Wo ist Danica?« fragte Corell. Seine Zunge war bleiern. »Petar, ich bin gekommen, um Danica zu heiraten. Ich habe wie ein Irrer gearbeitet. Kann denn keiner verstehen, wie es in mir aussah? Meine ganze neue Welt sollte plötzlich wieder auseinanderbrechen, wegen eines jungen Mannes …«
»Nehmen Sie einen Hirtenteppich, mein Herr«, sagte Robic mit torkelnder Stimme. »An der Wand ist er immer ein Zierstück.«
»Wo ist Danica?!« brüllte Corell auf. »Petar, ich kann ohne sie nicht leben!«
»Aber schlagen konntest du sie«, sagte Robic tonlos. »Ihr die Stirn aufschlagen, die schöne Stirn … Du Hund du, du deutscher Barbar, du verfluchtes Stück Dreck … Du wirst sie nie wiedersehen, nie! Nicht, solange ich lebe!« Er griff schnell unter die Theke, holte eine große Prozellanvase hervor und schwang sie über seinem Kopf. Das war der Augenblick, in dem die zwei eleganten Herren draußen vor dem Schaufenster sehr munter wurden, die Ladentür aufrissen, an dem erstarrten Corell vorbei um die Theke herumflitzten, dem noch ratloseren Robic die Vase aus der Hand schlugen und ihn hochhoben wie eine Puppe. Da erst verstand Petar, daß man ihn angegriffen hatte, er begann, um sich zu schlagen und gleichzeitig mit seiner Donnerstimme zu schreien.
»Hilfe! Überfall! Hilfe! Überfall! Alarm! Die Miliz! Die Miliz!«
Die beiden eleganten Herren waren geübte Judokämpfer. Sie rollten Robic über die Schulter ab, er krachte gegen die Wand, krabbelte dort hoch, versuchte, mit gesenktem Kopf anzugreifen, erhielt einen Schlag in den Nacken und fiel auf die Knie.
»Mord …«, stammelte er. »Mord! Er will mich umbringen. Danica, sie bringen deinen Vater um …«
Durch die Ladentür stürzte Dr. Vicivic. Er übersah sofort die Situation, aber die beiden Kölner Herren faßten die Lage anders auf. Während einer sich um den noch immer knienden, wie gelähmten Petar kümmerte, griff der andere Vicivic an den Arm, um ihn mit einem Schleudergriff unschädlich zu
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