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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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lassen.
    »In Salt Lake, sehen Sie?« Sie wurde immer aufgeregter und klopfte mit ihrer Bierdose gegen den Fensterrahmen. »Wir war’n Mormonen, wissen Sie?«
    Er nickte.
    »Ich war der Inbegriff, wissen Sie, die ganze Zeit, in der wir verheiratet waren.« Ihr Gesicht wurde hart. »Und nachdem er gestorben war, kamen sie alle vorbei und brachten mir Essen und Kuchen und Früchte und sonstwas, wissen Sie. Aber als ich versucht habe, ein bißchen was zu leihen, damit ich mir ein Auto kaufen und arbeiten könnte, da taten sie auf einmal so, als hätte sie gerade jemand zum Essen gerufen. Und ich war immer der Inbegriff dessen, wie man sein soll. Ich ließ sie bei uns im Haus ihre Versammlungen abhalten.« Sie zog ihren Mund fest zusammen. »Raymond wurde als einer geboren – verstehen Sie? Aber ich bin auf ’ner Pferdefarm in der Nähe von Logan aufgewachsen.«
    Sie nahm wieder einen Schluck Bier, hielt es vor ihre Zähne und starrte auf die Wüste. Mittag war vorbei. In der Sonne wirkte die ganze Wüste bleich und verschwommen, bis dorthin, wo die Berge aufragten. Er schaute sie an, während sie wegsah, sah auf ihren Busen, der sich hob und senkte, und rückte vor, damit er in die Spalte an der Knopfleiste ihrer Bluse hineinsehen konnte, wo sich die Rundung ihrer Brust abzeichnete. Er fühlte sich ein wenig schäbig und ein bißchen schlecht und mochte sich selber nicht.
    Die Frau atmete langsam aus. »Ein Freund von mir hatte so ’nen Buick. Der stand einfach bloß in seiner Garage.« Sie sah weiter in die Wüste hinaus. »Ich sagte ihm, ich würd den Wagen kaufen, wenn ich ihn in kleinen Monatsraten bezahlen könnte. Ich wollte schon immer einen Buick haben, und es sah nie so aus, als ob ich einen bekommen könnte. Es ist merkwürdig, daß es einem erst richtig schlechtgehen muß, bevor die Träume anfangen, wahr zu werden.« Sie sah ihn an, und ihre Nasenlöcher weiteten sich. »Wie auch immer, ich hab mich auf der Stelle von den Mormonen getrennt«, sagte sie, »und bin aus diesem Salt Lake City abgehauen. Ich will Ihnen eins sagen, lassen Sie sich von denen nichts vormachen. Das sind ganz miese Geizhälse, das schwör ich.«
    Er sah wieder auf ihre Bluse, um in den kleinen Spalt zu schauen, aber sie hatte sich zur Seite gewendet, und der Spalt war nicht mehr da. Er ließ den Blick langsam wieder zurück auf die Straße wandern.
    Sie klopfte mit der Dose gegen ihre Zähne. »Ich denke, jetzt geht’s mir besser«, sagte sie. »Ich urteile nicht mehr so schnell. Es ist nicht leicht, immer auf dem Präsentierteller zu sein.« Sie glitt in ihren Sitz zurück und verschränkte die Arme über ihrem Bauch, als ob sie sich besser fühlte. »Wo fahren Sie hin?«
    »Arkansas«, sagte er.
    »Wo ist denn Ihre Frau? Haben Sie sie zu Hause gelassen, damit sie auf Ihre Babys aufpaßt?«
    »Ich hab nicht gesagt, daß ich verheiratet bin«, sagte er und fühlte sich unbehaglich.
    »Das weiß ich.« Sie seufzte. »Sie haben mir doch nichts verschwiegen, oder? Sie haben doch bestimmt alles im Griff.« Sie lächelte.
    »Ich glaube nicht«, sagte er.
    »Ich will Sie nicht bedrängen«, sagte sie.
    »Da gibt’s nichts zu drängen«, sagte er. »Wie kommt es, daß Sie so schnell wieder geheiratet haben?«
    »Pech«, sagte sie, lachte und zuckte mit den Schultern. »Trinken Sie doch auch ein Bier. Ich würde mich besser fühlen, wenn Sie auch eins trinken.«
    Er warf einen Blick in den Spiegel, sah aber nur den Mittelstreifen aufblitzen. »Danke nein«, sagte er.
    Sie drückte einen Ringverschluß durch das Lüftungsfenster hinaus. »Lassen Sie mich rüberrutschen – in Curvo kennt mich ja sowieso keiner.«
    Sie schob sich auf dem Sitz herüber, ließ den Kopf gegen seine Schultern fallen und legte die Füße auf das Armaturenbrett. Sie stellte die Bierdose, durch deren Öffnung sich eine weiche Schaumhaube nach oben drängte, auf ihren Bauch und umschloß seinen Schenkel mit den Fingern. Und er konnte bloß noch denken, daß er nichts tun würde, um sie zu bremsen. Sie hielt ihm die halbwarme Bierdose an die Stirn und rollte sie hin und her. »Larry mag das«, sagte sie lächelnd. »Das entspannt ihn.«
    Er sah auf sie hinunter, wie sie sich an seiner Schulter versteckte und ihn aus ihren grünen Augen mit den kleinen schwarzen Pupillen anblickte, und legte den Arm um sie, so daß ihr Gesicht an seiner Brust lag.
    »Sehe ich aus wie zweiunddreißig?« fragte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Himmel, nein«, sagte

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