Ein Stueck vom Himmel
treffende Bemerkungen, die alle spontan aus ihm kamen. Außerdem war er bereits im Jahre 1946 ein Pionier der feministisch-korrekten Formulierungen.
Großes Waschen am frühen Morgen beim Brunnen vor dem Prielhaus im Toten Gebirge, Madln und Buam nebeneinander. Einer sagte bewundernd: »Wusch, das sind Körper!«
Hansl: »Und zu die Körperinnen sagst gar nix?«
1955 brauchte man für eine Ersteigung des Olymp (2918 m) noch eine polizeiliche Erlaubnis. Und wenn wir uns nach drei Tagen nicht zurückgemeldet hätten, wäre ein Suchtrupp nach uns losgezogen. Es gab noch Partisanen in den Bergen. Von Litochoron am Meer bis hinauf zum Gipfel gab es damals nur elende steinige Wege. Nachher bestanden unsere Füße nur aus Blasen und taten höllisch weh. Der Polizeichef gratulierte uns zu der Gipfelersteigung und schüttelte jedem kräftig die Hand. »Bei diesem Händedruck habe ich mich mit der anderen Hand am Türpfosten festhalten müssen!«, klagte unser Fritz.
Hansl tröstete ihn: »Dann sei froh, dass er dir nicht die Füße geschüttelt hat!«
An der Preinerwand-Südostkante (Rax) passierte Hansl etwas Saudummes. An der Schlüsselstelle wollte er das Seil mit dem Karabiner in einen Mauerhaken einhängen und rief »Zug!« ... worauf sein Partner Ederl blitzschnell Seilzug gab und sehr erstaunt war, dass darauf der Hansl (ebenfalls blitzschnell) durch die Luft flog.
Das Saudumme war nämlich, dass der Hansl schon um Seilzug rief, bevor er noch seinen Karabiner in den Haken eingehängt hatte! Ederl hatte somit seinen Partner praktisch mit dem Seil vom Überhang herabgerissen!
Hansl hatte Schmerzen im Knöchel. Ederl begleitete ihn ins Spital.
Ederl war moralisch fix und fertig. Er – für den Bergkameradschaft als das Allerhöchste galt – hatte seinen Partner in die Tiefe gerissen! Und obwohl ihm der Hansl immer wieder sagte, dass er selber seinen Sturz verursacht hatte, jammerte Ederl weiter wie eine Bank voll alter Weiber.
Ederl jammerte auch noch im Spital. Der Arzt versuchte ihn zu trösten ... Klettern ist ein gefährlicher Sport. Ederl soll froh sein, dass nicht mehr passiert ist. »So – und jetzt schauen wir uns Ihren Fuß näher an!«
Worauf Hansl still und bescheiden sagte: »Bittschön, Herr Doktor, sind Sie net bös, der Abgestürzte bin ich!«
Sir »Scarpietti«
»Scarpietti« bekam seinen Namen bei unserer ersten Dolomitenfahrt. Keiner von uns sprach Italienisch. Aus dem Wörterbuch suchten wir die Worte, die wir brauchen konnten. »Fieno« (Heu) war ein solches Wort, Heustadln waren unsere Talunterkünfte. Einmal hatte ich »Fieno« mit »Fiume« (= Fluss) verwechselt. Die Bäuerin sah mich nur groß an, als ich sie fragte, ob wir bei ihr im »Fiume« übernachten dürfen.
Unser Ernst Schuster wurde ebenfalls durch einen Irrtum zum »Scarpietti«. »Scarpa« – italienisch Schuh – und ein Schuster – so nahmen wir naiverweise an – ist dann ein »Scarpietti«.
Doch ein Schuster ist ein »Calzolaio«, und als wir auf das draufkamen, hatten wir uns an den »Scarpietti« schon so gewöhnt, dass wir dabei blieben.
Scarpietti war immer und überall ein Sir, der in gewählten Worten sprach und kühl jede Situation beherrschte. Nur einmal ist ihm etwas passiert, was ganz und gar nicht zu ihm passte – eine skurrile Geschichte, bei der es schwerfällt zu glauben, dass sie auch wahr ist. Sie ist es.
Die Überschreitung der Aiguille du Grépon in der Montblanc-Gruppe ist eine der schönsten Urgesteinsklettereien der Alpen ... fester Fels und originelle Kletterstellen. Da ist der Mummery-Riss, über den die Kletterer schon seit den Zeiten der Erstbegehung (die war 1891!) streiten, wie er besser zu derpacken sei ... mit Kraft oder Technik? Und es gibt ein »Kanonenloch« und ein »Fahrradband« (das so breit ist, dass es auch mit einem Fahrrad befahren werden kann).
Schöne Klettereien soll man an schönen Tagen machen. Am Tag, an dem wir zum Grépon aufbrechen wollten, wusste das Wetter selber noch nicht recht, wie es werden sollte. Und wir wussten nicht recht, ob wir losziehen sollten. Nur Scarpietti war optimistisch. Die paar Wölkchen am Himmel werden sich bald verziehen. Wenn es heute einen Wettersturz gibt, dann würde er – so sagte er – seine »neuen Handschuhe verspeisen«.
So viel Optimismus wirkt ansteckend. Scarpiettis neue Handschuhe waren bildschön und warm. Wir zogen los. Stunden später standen wir in der steilen Eisrinne unter den Felsen des Grépon. Die Sonne schien.
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