Ein stuermischer Retter
davoneilten, um ihr Gepäck zu holen, reichte der Kapitän ihr die Hand, um ihr von Bord zu helfen. „Sie hätten nicht geschossen, denke ich."
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich weiß es nicht", gab sie zu. „Wahrscheinlich nicht."
„Als Sie schon einmal getötet haben - wen haben Sie da getötet?"
Faith wartete mit ihrer Antwort, bis sie sicher auf dem Anleger stand. „Einen Hasen", gestand sie.
Der Kapitän sah sie verblüfft an. „Aber Sie waren ganz blass und zitterten, als Sie mir das erzählt haben!" Er warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Das Gesicht eines Engels, das Herz einer Löwin und die List einer Füchsin! Sie sind verrückt, schöne Lady!"
„Nein." Faith verstaute die Pistole wieder in ihrem Retikül. „Nur verzweifelt."
„Ihr Mann hat viel Glück, glaube ich."
Faith schüttelte traurig den Kopf. „Ich wünschte, es wäre so."
„Es ist wahr! Gott segne Sie, schöne Lady."
Die Straße nach Vittoria war nur ein schmaler Weg, der in Serpentinen in die Berge hinaufführte. Die Luft war kühl und feucht und der schlammige Boden schlüpfrig, sodass sie nur langsam vorankamen. Doch das störte sie nicht, sie hatten es nicht eilig.
Mit jedem Schritt seines Pferdes wurde Nicholas niedergeschlagener. Er tat das Richtige, aber ... Großer Gott, wenn er doch nur beizeiten verstanden hätte, wie sie seine Worte aufgefasst hatte. Er sah sie wieder vor sich, wie sie all das lernte, was eine Soldatenfrau ihrer Meinung nach können musste - das Essen zubereiten, sich selbst um ihr Pferd kümmern, ein Lager aufschlagen ... und diesen verdammten Hasen schießen! Sie hatte sich sogar gezwungen, bei ihm zu bleiben, als Stevens die Schnittwunde an seinem Fuß genäht hatte. Sie hatte es ertragen, grün im Gesicht und mit flauem Gefühl im Magen, aber sie hatte durchgehalten.
Damals hatte er es nicht verstanden, aber jetzt war alles glasklar. Sie wollte sich das Anrecht verdienen, bei ihm zu bleiben, ein Anrecht, das es gar nicht gab, denn er hatte immer vorgehabt, sie nach Hause zu schicken. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
Nun begriff er auch, dass er, ohne es zu wollen, grausam gewesen war. Weil er sich gescheut hatte, ihr den wahren Grund für seine Reise nach Spanien zu nennen, hatte er ausgerechnet den Menschen verletzt, den er am meisten schützen wollte.
Sein Pferd trottete weiter bergauf, vorbei an schwindelerregenden Abgründen, doch Nicholas nahm das kaum wahr.
Gott, er würde sie vermissen, aber es war besser so. Sie hätte sich gezwungen, mit
seiner Krankheit umzugehen, so wie damals seine Mutter mit dem Siechtum seines Vaters. Die Vorstellung, wie seine strahlende, fröhliche und sinnliche Faith sich in den blassen, traurigen Schatten einer Frau verwandelte, war etwas, was Nicholas nicht ertragen konnte und wollte. Da war es weitaus besser, wenn sie ihn in irgendeiner Mission unterwegs wähnte und dann von der Nachricht von seinem Tod überrascht wurde. Im Laufe der Zeit würde sie die Wahrheit erfahren, aber dann würde sie sich daran erinnern, was er ihr von seiner Mutter erzählt hatte - und verstehen.
Vor ihm ritt Mac, er saß völlig zusammengesunken auf seinem Pferd. Vielleicht hätten sie doch intensiver nach dem Zigeunermädchen Ausschau halten sollen. Von sich aus würde Mac sie niemals suchen, er glaubte fest daran, dass er nicht imstande war, eine Frau halten zu können. Er nahm den Verlust einfach schicksalsergeben hin. Aber das Mädchen hatte sich so bemüht, den Aufenthaltsort seiner Urgroßmutter vor ihnen allen geheim zu halten ... Der Himmel wusste, warum Estrellita glaubte, er wolle ihrer Urgroßmutter etwas antun.
Wie auch immer, dieser Teil der Reise gehörte Stevens. Nick hatte einen Hügel aus Steinen auf Algys Grab errichtet, er war sich sicher, ihn wiederfinden zu können. Das Grab befand sich auf den Höhenzügen, von denen man das Schlachtfeld hatte überblicken können. Er hatte Algys Leiche dort hinaufgetragen, weil er nicht wollte, dass sein Freund in einem der Massengräber beigesetzt wurde. Nein, nicht Algy, sein ältester Freund.
Vor ihnen waberte der Nebel, er wurde immer dichter. „Capt'n, wenn das so weitergeht, können wir bald nichts mehr erkennen. Wir sollten uns lieber im nächsten Dorf nach einer Unterkunft umsehen", rief Stevens hinter ihm.
Nick zuckte gleichgültig mit den Achseln.
„Sind Sie sicher, dass sie dort hinauf wollen?", fragte Faith zum dritten Mal und lenkte ihr Pferd um die scharfe Kurve, den
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