Ein stuermischer Retter
ausgeschnitten.
„Meine maman hat es gemacht", hatte die alte Frau erzählt und hinzugefügt: „Es ist nur ein einziges Mal getragen worden, wissen Sie." Faith hatte sofort verstanden. Marthe hatte dieses Gewand in ihrer eigenen Hochzeitsnacht getragen. Es war ein besonderes Gewand, eins für die Liebe, nicht zum Schlafen.
Faith hatte in einem großen Blechzuber im Zimmer gebadet und ihre steifen Glieder im heißen Wasser so weit wie möglich entspannt. Schon als Kind hatte man ihr das Reiten beigebracht, und da das der einzige Bereich ihrer Erziehung gewesen war, den ihr Großvater nicht abgelehnt hatte, war aus ihr eine ordentliche Reiterin geworden. Allerdings liebte sie das Reiten nicht so sehr wie ihre Zwillingsschwester, und sie hatte folglich auch nicht täglich auf einen Ausritt bestanden. Sie war somit ziemlich aus der Übung gewesen, und der Tag im Sattel machte sich nun bemerkbar.
Eine Kerze flackerte auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett. Wo blieb er nur? Faith war schon vor über einer Stunde nach oben gekommen und saß nun wie auf glühenden Kohlen.
Beim Nachtmahl hatte er wenig gesagt. Sein Gesicht war ihr blass und ernst erschienen, und den größten Teil des Abends hatte er die Kiefer fest aufeinandergepresst. Sein Essen hatte er kaum angerührt. Auch auf ihre Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, hatte er nur spärlich geantwortet. Er hatte ihr kaum Beachtung geschenkt - im Grunde hatte er niemandem Beachtung geschenkt. Faith konnte sich keinen Reim auf seine Stimmung machen. Sie war sich nicht sicher, ob es sich um mühsam unterdrückten Zorn handelte oder er einfach nur in irgendwelche finsteren Gedanken vertieft war. Ab und zu zuckte ein nervöser Nerv unterhalb seines linken Ohrs. Seine verschlossene Miene trug jedenfalls nicht dazu bei, Faiths Anspannung zu mindern.
Als er endlich anklopfte, fuhr sie erschrocken zusammen. Er trat wortlos ein und ließ sich schwer auf einen harten Holzstuhl fallen. „Helfen Sie mir, aus den Stiefeln herauszukommen?"
Eilig kniete sie sich vor ihn hin und zog ihm erst die Stiefel und dann die Stümpfe aus. Scheu sah sie zu ihm hoch und fragte sich, ob ihm wohl gefiel, was er in dem schönen Nachthemd vor sich sah. Sein Aussehen erschreckte sie zutiefst. Sie hatte einen leidenschaftlichen, glühenden Ausdruck in seinen Augen erwartet, stattdessen wirkten sie trübe und glasig. Seine Gesichtsfarbe war wächsern, unter den Augen hatte er tiefe Ringe. Sie legte ihm eine Hand aufs Knie. „Geht es Ihnen nicht gut?"
Er schüttelte den Kopf, hielt aber abrupt inne, als schmerzte ihn die Bewegung. Ein Ausdruck des Bedauerns huschte über seine Züge, und als er antwortete, sprach er ganz bedächtig, als täte ihm jedes einzelne Wort weh. „Es tut mir leid, die Hochzeitsnacht muss erneut verschoben werden. „Habe ... wieder einen dieser verdammten Anfälle."
„Was kann ich für Sie tun? Soll ich die Frau des Wirts fragen, ob sie vielleicht Laudanum oder ... "
„Nein!" Er zuckte schmerzerfüllt zusammen. „Kein Laudanum", stieß er etwas weniger heftig hervor. „Schmutziges Zeug. Nein, das ... ist morgen früh ... wieder vorbei."
Er mühte sich, seinen Mantel abzulegen, und Faith eilte ihm zu Hilfe. Er ließ sich von ihr die Weste, das Halstuch und das Hemd ausziehen, doch als sie ihm seine Breeches aufknöpfen wollte, hielt er ihre Hand fest. „Den Rest ... schaffe ich allein. Gehen Sie ins Bett ... Sie haben kalte Füße."
Er machte sich Gedanken wegen ihrer Füße? Sie waren wirklich kalt, aber als ob das jetzt eine Rolle gespielt hätte! Er sah wirklich furchtbar aus. Weidenrindentee, dachte sie plötzlich. Ihre kleine Schwester Grace hatte als Kind häufig unter starken Kopfschmerzen gelitten. Ihre Köchin hatte ihr dann immer Weidenrindentee gekocht, und er schien jedes Mal geholfen zu haben.
Faith zog ein Kleid über ihr Nachthemd und eilte barfuß zur Tür. Kurz darauf klopfte sie an die Tür des Zimmers, das Stevens und Mac sich teilten. Stevens öffnete ihr. „Mr Blacklock hat wieder diese Kopfschmerzen. Könnten Sie bitte nachfragen, ob die Wirtin Weidenrinde für einen Tee hat? Ich bin sicher, der würde helfen."
„Aber, Miss ... "
„Bitte, Stevens, gehen Sie! Bereiten Sie eine Kanne zu, und bringen Sie sie anschließend in mein ... unser Zimmer, ja?" Sie drehte sich um und kehrte zu Nicholas zurück.
Dieser hatte sich auf das Bett gelegt und sich notdürftig zugedeckt. Er trug nur noch seine Unterwäsche. Seine Augen waren
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