Ein stuermischer Retter
Haushälterin des Pfarrers. Ein Duft von Lavendel und Kampfer ging von ihr aus, als sie Mr Blacklock kurz zunickte.
Mit säuerlicher Miene betrachtete sie Faith von Kopf bis Fuß. Wie es aussah, kannte die Haushälterin ihre Geschichte ebenfalls. Die Frau begutachtete Faiths goldblondes Haar, den Bluterguss in ihrem Gesicht, das tief ausgeschnittene Kleid und schnaubte leise. Für Faith kam das einer Ohrfeige gleich.
Sie schluckte und straffte sich. Sie wusste genau, was die Frau dachte und was der Pfarrer ebenfalls denken würde. Faith war eine Dirne, die dem Sündenbabel entkommen wollte, indem sie einen armen Narren hinters Licht führte. An solche Blicke würde sie sich wohl gewöhnen müssen.
Stock und Stein brechen mein Gebein, doch Worte bringen keine Pein, sagte sie sich wieder und wieder. Großvater hatte seinen Stock benutzt. Sie war davongekommen, weil sie sich vor seinem Zorn versteckt hatte. Nie wieder würde sie ein Feigling sein. Sie wollte sich nie wieder verstecken. Niemand sollte sie mehr dazu bringen, sich für etwas zu schämen, wofür sie nichts konnte. Sie war imstande, jede Form von Häme und Verachtung zu überstehen.
Hoffentlich.
Sie straffte die Schultern und betrat das Pfarrhaus.
5. KAPITEL
Lehre mich zu fühlen des anderen Harm,
Makel zu verbergen, die ich sehe;
So wie ich anderer mich erbarm,
So erbarm dich meiner Seele.
Alexander Pope
Die Frau stellte sich als Marthe vor und führte sie in den Salon. Monsieur le Curé erhob sich aus seinem Sessel, um sie zu begrüßen. Er war nicht nur alt, sondern auch
kahlköpfig und ziemlich mager. Aber seine braunen Augen wirkten klug und lebhaft. Als sie alle Platz genommen hatten, betrachtete er Faith mit ernster Miene. Faith wappnete sich innerlich. Stock und Stein.
„Eh bien, Mademoiselle, Sie wollen morgen also diesen guten Mann heiraten?"
„Ja, Monsieur."
„Er hat mir ein wenig von Ihnen erzählt. Ein glücklicher Zufall, dass Sie sich begegnet sind, nicht wahr?"
„In der Tat, Monsieur." Sie hatte nicht vor, sich für irgendetwas zu rechtfertigen. Marthe erschien mit einer Kanne Tee und einem Teller mit Gebäck. „ Ah, bon", meinte der Geistliche, als sie das Tablett abstellte. „Le thé. Engländer lieben le thé, nicht wahr? Mademoiselle, wären Sie bitte so freundlich, einzuschenken?"
Faith gehorchte und reichte die Tassen und das Gebäck weiter. Dabei spürte sie deutlich die prüfenden Blicke von Marthe und dem Pfarrer auf sich ruhen, aber sie ignorierte sie geflissentlich. Je eher der Tee getrunken war, desto schneller konnte sie sich in die Anonymität des Gasthauses zurückziehen. Sie gab zwei Stücke Zucker in Blacklocks Tee - sie hatte seine Vorleibe für Süßes schon am Strand bemerkt -, rührte um und gab ihm die Tasse.
Als sie sich wieder setzte, runzelte der Geistliche leicht die Stirn. „Mademoiselle, Sie stammen also aus England? Monsieur Blacklock hat mir erzählt, dass Sie nach der Trauung dorthin zurückkehren werden, um bei Ihrer belle-mère zu leben. Ist das wahr?"
„Bei meiner Mutter, ja, das ist richtig", bestätigte Nicholas. Faith warf ihm einen raschen Seitenblick zu, sagte aber nichts.
Der Pfarrer legte nachdenklich die Fingerspitzen gegeneinander und betrachtete Faith unverwandt - zweifellos, um sie einzuschüchtern. Unwillkürlich hob sie trotzig das Kinn. „Mademoiselle, Sie haben Monsieur Blacklock berichtet, Sie hätten sich angeblich schon einmal ungültig trauen lassen."
Faith gefiel sein Tonfall nicht. „Nicht angeblich, die Trauung war ungültig." Mr Blacklock legte seine Hand auf ihre. Sie war sich nicht sicher, ob er ihr damit den Rücken stärken oder ihr andeuten wollte, Ruhe zu bewahren. Ungehalten schüttelte sie seine Hand ab. Er hatte sie doch überhaupt erst in diese Lage gebracht!
„Wo hat diese Trauung stattgefunden?"
„In Paris. In der Kirche der Sainte Marie-Madeleine."
„Ah, in Sainte Marie-Madeleine. Und wer ist dort Pfarrer?"
Sie antwortete mit vollkommener Gelassenheit. „Welchen Pfarrer meinen Sie? Den falschen, der mich getraut hat - der nannte sich Vater Jean -, oder den echten, der sich bestechen ließ, die Trauung auf diese Weise vornehmen zu lassen? Der nannte sich Père Germaine."
Der Pfarrer nickte freundlich. „Ah, oui, Père Germaine von Sainte Marie-Madeleine. Ich kenne ihn. Ein kleiner, rundlicher Mann mit weißem Haar, n'est-ce pas?"
„Non", erwiderte Faith. „Der Père Germaine, den ich kennengelernt habe, war hochgewachsen dünn und
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