Mister Mirakel
Es roch nach Herbst auf diesem kleinen Markt in Chelsea, nach lehmiger Erde, nach den ersten Tannenzweigen, die auf Gräber gelegt wurden, nach gerösteten Maronen und Tee mit Rum.
Eigentlich aber roch es nach etwas anderem - nach Angst!
Angst kann man wohl nicht riechen, aber sie war da. Ebenso wie die Gestalt mit der bösen Halloween-Maske und dem langen, machetenartigen Messer, dessen Schneide vor kurzem noch Kokosnüsse durchschlagen hatte.
Jetzt suchte sie neue Opfer. Menschen! Die waren schreiend vor der Gestalt geflohen.
Zwei Ausnahmen gab es. Suko und mich. Wir wollten den Maskenmann stellen und blutiges Unheil verhindern. Der Killer paßte in die Zeit hinein, denn es war ein Tag vor Halloween.
Er war über den kleinen Markt gehuscht wie ein tödlicher und schneller Schatten. Wild hatte er seine Machete geschwungen, und es glich einem Wunder, daß noch niemand verletzt worden war. Suko und ich hatten ihn nur einmal kurz gesehen. Vielmehr nur seinen Kopf, der nur aus einer Maske bestand.
Es gab zahlreiche Halloween-Masken. Der ausgehöhlte Kürbis spielte nicht unbedingt mehr die Hauptrolle. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. So wurden die Freddy-Krueger-Dinger ebenso aufgesetzt wie die schlichten Totenschädel oder die Maske des Serien-Killers aus dem Freitag-der-Dreizehnte-Streifen. Hauptsache, schlimm und schrecklich. Wichtig war, daß sich andere Menschen erschreckten und möglichst rasch vor dem Monster flohen. Das war auch hier der Fall gewesen. Allerdings war es kein Spaß mehr. Eine Horror-Maske zu tragen war etwas anderes, als eine gefährliche Machete zu schwingen.
Das wußten auch Suko und ich. Deshalb wollten wir den Kerl oder wer immer sich unter der Maske versteckte, haben. Einen Vorteil hatte das Ding, das sein Gesicht verdeckte. Es gab ein Licht ab. Und das wiederum strömte aus den Öffnungen hervor und hinterließ bei den raschen Bewegungen einen hellen Schweif. Im Augenblick sahen wir ihn nicht mehr. Er war einfach weggetaucht. Deckung boten die zahlreichen Verkaufsstände in Hülle und Fülle. Sie waren unterschiedlich groß. Es wurde alles mögliche verkauft. Von Winterkleidung bis hin zu Töpfen und Krügen. Blumen, Tannenzweige, der erste Weihnachtsschmuck, Gestecke für Gräber und auch Spielzeug aus zweiter Hand.
Wir hatten uns bis zur Mitte des kleinen Marktes durchkämpfen können. Es war ungewöhnlich ruhig geworden. Möglicherweise empfanden wir es auch nur, denn die erste Panik hatte sich gelegt. Menschen waren in Deckung gegangen und hatten ein Gebiet freigelassen, in dem sich der Maskenmann aufhalten konnte.
Es war ein großer Stand, ein Viereck, praktisch das Zentrum des Marktes. Man konnte ihn von verschiedenen Seiten erreichen. Von ihm zweigten die anderen Gassen ab, an denen dann die übrigen Buden lagen.
Eine Frau hetzte an uns vorbei. Sie zog ihre beiden Kinder hinter sich her, die nicht wußten, weshalb sie es plötzlich so eilig hatte und sich lautstark beschwerten.
Ich drehte mich nach links. Ein älterer Mann stand in meiner Nähe und atmete heftig. Er schnaufte in seine Hand, von der Blut nach unten tropfte. Der Jackenärmel war aufgeschlitzt worden, und der Mann konnte kaum fassen, daß ihn das Haumesser verletzt hatte. Er schüttelte immer wieder den Kopf und war starr geworden.
Ein Opfer des Maskenmanns!
Ich sprach ihn an. »Wo ist er? Sie haben ihn doch gesehen! Wo hält er sich versteckt?« Laut und deutlich hatte ich gesprochen, aber der Mann schaute mich an, als hätte er mich nicht verstanden. In seinen Augen lag ein irrer Ausdruck. Der Angesprochene konnte nicht reden, aber er nickte mir seine Antwort zu.
Der große Stand war damit gemeint. Er schien eingefroren zu sein. Nichts bewegte sich dort. Zudem war es schwer, etwas zu erkennen. Unter dem Planendach war es ziemlich düster, denn auch von den offenen Seiten her drang nicht viel Licht herein, weil der Tag recht trübe und dunstig war.
Aber die Maske leuchtete. Nur jetzt nicht. Ihr Träger hatte die Chance genutzt und sich hinter den breiten, mit Kleidung vollgestopften Ständern versteckt.
Halloween war nah. Noch einmal schlafen, dann konnte der schaurige Karneval gefeiert werden, der immer mehr Zuspruch fand. Auch hier auf dem Markt wurden die Masken verkauft, doch man hielt sich hier mehr an die ausgehöhlten Kürbisse und war traditioneller. Ob sich der Kerl mit der Machete auch einen solchen Kürbis hier besorgt hatte, wußten wir nicht. Für uns jedenfalls war es wichtig,
Weitere Kostenlose Bücher