Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
genug gewartet. Der Schulabschluss wäre dafür doch ein passender Anlass«, bluffte ich, grinste weiterhin spöttisch und ließ nicht zu, dass mich mein trockener Mund verriet. Nicht dass Dex nicht absolut perfekt gewesen wäre. Und es war auch nicht so, dass » absolut perfekt« nicht genau das war, was ich in diesem Leben wollte. Das funktionierte für mich, machte es mir leichter, die zu sein, die ich war. Es war nur … als er mich küsste, fühlte ich … alles. Und zwar nicht auf gute Art und Weise. Die Form seiner Lippen, die nicht ganz so mit meinen verschmolzen, wie ich es mir erträumt hatte, das raue Kratzen seiner Bartstoppeln auf meiner Haut, die Art und Weise, wie er sich zu mir beugte, dass ich keine Luft mehr bekam, und dass er mich am Hinterkopf festhielt, sodass es kein Entkommen gab. Von der Technik her küsste er zwar nicht schlecht, aber es war einfach nicht so, wie ich es mir vorgestellt hätte mit jemandem, den ich wirklich … Es war nur ein winziger Tick, um den es nicht passte. Wir waren einfach nicht komplett auf einer Wellenlänge. Und dann noch die Art und Weise, wie seine Hände …
Ich schloss die Augen. Ach, was sollte das. Dex war großartig, und er passte in jeder Hinsicht, auf die es ankam, zu mir. Kein Paar war perfekt.
Okay, Dex haute mich nicht gerade vom Hocker. Aber ich hatte mit dieser Entscheidung doppelt so lang gewartet wie alle anderen Achtzehnjährigen und weit länger als die aus dem » einen Leben«. Ich wollte nicht in beiden Leben weiterhin Jungfrau sein. Und wenn ich etwas Besseres kriegen konnte, etwas absolut Umwerfendes, hätte ich es bestimmt inzwischen entdeckt.
In beiden Welten.
» Also …«, begann Miriam, und ihr koketter Tonfall riss mich aus meinen Gedanken. » Heute Nacht?«
» Nein«, sagte ich und warf lässig mein Haar zurück, während alles in mir NEIN ! schrie – ich wäre heute Nacht nicht bereit für Sex. » Ich denke an den Abschlussabend. Wir werden zu dem Dinner gehen und ich werde vorher alles arrangieren. Es wird perfekt werden. Und außerdem geht es heute Abend um eine andere Art von Spaß. Wie laufen die Vorbereitungen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln, da gerade die Dritte im Bunde auf uns zukam.
» Guten Morgen, Ladys«, sagte Lucy. Sie hatte einen Notizblock in der Hand und lächelte uns wissend an. » Habe ich richtig gehört – hat gerade jemand gefragt, wie die Vorbereitungen für den heutigen Abend laufen?«
Ich lächelte zurück und entspannte mich zum ersten Mal an diesem Morgen. Dazu trug Lucy stets bei. Sie stellte keine nervigen Fragen. Sie hielt sich an die lustigen Dinge.
» Ja, da hast du richtig gehört. Wie sieht’s denn aus?«
» Alles fix und fertig, erledigt. Die Jungs sorgen für Getränke. Ich bin für Musik und Deko zuständig. Alle Zusagen und Absagen sind eingegangen. Wir haben die Juniors, die sich gemeldet haben, abgecheckt und zum Bedienen abgestellt.« Sie machte Häkchen auf ihren Notizblock, dann quietschte sie: » Das wird eine legendäre Party heute Abend!«
» Wie viele kommen?«, fragte ich.
» Och … weißt du«, sagte Lucy undeutlich und sah sich auf dem Korridor um.
Ich blieb abrupt stehen. » Lucy, wie viele?«
Miriam stand hinter mir, aber ich spürte, wie sie zusammenzuckte.
Lucy biss sich verlegen auf die Lippen. » Nun ja, die meisten aus dem Abschlussjahr und es könnten auch noch Einladungen an ein paar Freunde von ihnen außerhalb der Schule rausgegangen sein. Du weißt schon – es hat sich herumgesprochen und ich wollte nicht nein sagen.«
Ich starrte sie nur an und stemmte die Hände in die Hüften.
» Achtzig bis hundert.«
Ich starrte sie weiterhin an.
» Okay, allerhöchstens hundertfünfzig!«, sagte sie rasch.
Meine spontane Reaktion war auszuflippen. Ich hatte Mom gesagt, dass es maximal fünfzig werden würden! Doch dann erinnerte ich mich daran, dass sowohl Lucas als auch Ryan nach ihrem Schulabschluss Partys veranstaltet hatten – und sie hatten nicht mal Geburtstag gehabt! Und beide Male war es eine Riesenfete mit Polizei an der Tür und allem Drum und Dran gewesen. Mom hatte es überlebt. Deshalb sammelte ich mich, anstatt auszuflippen, und verdrehte die Augen. » Ich hoffe, ihr habt einen Security-Service.«
Lucy nickte erleichtert. Sie warf ihre dichten braunen Locken zurück, und ein Lächeln erschien auf ihren mit erdbeerfarbenem Lipgloss geschminkten Lippen, die ihre schneeweißen Zähne einrahmten. » Klar doch. Die Jungs wissen schon
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