Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
seit ich in diesem Drecksloch festsitze!«, heulte ich auf, während ich am Waschbecken lehnte.
Als ich in mein Zimmer zurückkam, war ich überrascht zu sehen, dass Ethan noch da war; er saß im Sessel, den Kopf in die Hände gestützt.
Schweigend kletterte ich ins Bett und drehte mich um, sodass ich ihm den Rücken zuwandte. » Ich bin müde, Ethan.«
» Dein Schulabschluss steht kurz bevor, nicht wahr?«
Ich antwortete nicht.
» Du hast neulich gesagt, dass nach dem Abschluss alles besser werden würde. Damit hast du nicht nur dich und Dex gemeint, nicht wahr? Alles ist darauf ausgerichtet, oder? Wie wird es denn laufen? Endet dieses Leben vor oder nach dem Abschlusstag in deinem anderen Leben?«
Ich holte tief Luft und versuchte zu verschleiern, dass ich weinte. » Danach«, gestand ich.
» Du hast alles schon geplant. Du und Dex werdet zusammen sein, du wirst in dieser Welt alles beenden und dann dein eines Leben führen. All deine Träume werden wahr werden.« Seine Worte waren voller Vorwurf.
Ich hielt es nicht mehr aus. » Das ist der einzige Traum, den ich habe! Aber danke für dein Verständnis. Ich habe es jetzt kapiert, Ethan. Ich weiß jetzt, wie wenig du von mir hältst. Wie armselig ich wirken muss. Das hätte ich früher merken sollen, dann hätte ich nicht …«
Er war aufgesprungen und stand neben meinem Bett. » Dann hättest du was nicht?«
Ich schüttelte den Kopf und vergrub mein tränennasses Gesicht im Kissen. » Geh einfach, Ethan.«
Ich hörte, wie die Tür hinter ihm zufiel.
22 – Roxbury, Samstag–Sonntag / Wellesley, Samstag–Sonntag
Der Rest des Wochenendes verstrich, jeder Tag zog sich hin, während ich versuchte, einen Plan zu schmieden, der all diese Qualen beenden würde. Doch selbst in Wellesley hatte ich Mühe, mich zusammenzureißen, weil mir Ethans Worte immer wieder durch den Kopf schossen.
Nicht ich.
Um alles noch schlimmer zu machen, erschien Ethan am Samstagabend nicht bei der Arbeit – was sich wie ein Schlag ins Gesicht anfühlte. Und in Wellesley war es auch nicht besser. Ich schlief fast den ganzen Samstag. Nach dem Wechsel humpelte ich ins Badezimmer, wo ich im Spiegel einen Blick auf mich erhaschte; daraufhin beschloss ich, dass Schlaf, für heute zumindest, das Wichtigste war. Ich war erschreckend hager und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Es war unmöglich geworden, den Überblick zu bewahren, wie viele Stunden ich geschlafen hatte und wie viele ich wach gewesen war in meinen Leben. Jede Nacht bis zum Wechsel wach zu bleiben und dann auch noch meistens mit dem Kopf über der Toilette zu hängen forderte seinen Tribut. Kein Wunder, dass Miriam überzeugt davon war, dass die Obstdiät funktionierte.
Das Gute war, dass mein Schulbesuch am Freitag offiziell geendet hatte, und wenn es je jemand verdient hatte, seine schulische Laufbahn abzuschließen, dann war ich das. Nun kam nur noch der Abschluss am Montag.
Als ich endlich in einem weißen Maxirock und einem schlichten schwarzen Top auf dem Weg nach unten war, war das Haus leer. Auf der Küchentheke lag ein Zettel von Mom, auf dem stand, dass sie mich schlafen und meinen ersten offiziellen Tag in Freiheit genießen ließ. Als PS hatte sie hinzugefügt, dass sie mir etwas Geld überwiesen hätte, für das Kleid, das ich für die Abschlussfeier ins Auge gefasst hatte.
Ich schaute auf die Uhr. Mittagszeit war vorbei, und mir fiel nichts ein, was mir mehr Spaß machen würde, als mein ganz normales Wellesley-Ich zu sein und mich hemmungslosem Frustshoppen hinzugeben. Ich rief Miriam an und verabredete mich mit ihr im Einkaufszentrum.
» Kaufst du dir das Schwarze oder das Silberne?«, fragte Miriam, als wir auf das Abendmodengeschäft zusteuerten.
» Das Schwarze.« Daran hatte es keine Zweifel gegeben, seit ich es zum ersten Mal anprobiert hatte. Wenn ich mir mich selbst in diesem Kleid vorstellte, fühlte ich mich sexy. Reif. Es war die perfekte Wahl. Und Dex würde es gefallen.
» Hast du deine Hotelreservierung bestätigt?«
» Ja.«
» Die Fahrt organisiert?«
» Dex fährt.«
» Und was ist mit deiner Mom?«
Ich zuckte mit den Achseln. » Ich habe ihr schon vor einer Weile gesagt, dass ich nach der Abschlussfeier in der Stadt übernachten würde. Es war seltsam – sie hat nicht mal Fragen gestellt, sondern nur gesagt, das sei in Ordnung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie weiß, mit wem ich dort bleibe, und hält es für unvermeidlich.«
» Du bist achtzehn, was kann sie schon
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