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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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du es mir erzählst, wenn ich es wirklich wissen will.« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie.
    » Das war gestern. Die Dinge haben sich geändert.«
    » Ach.«
    » Was soll das heißen?«, erwiderte ich scharf.
    » Es klingt, als hättest du die Welt aufgegeben.«
    Ich setzte mich ein wenig auf und merkte, dass das Licht im Raum sich verändert zu haben schien. Ich verschränkte die Arme. » Nicht die Welt – die Menschen. Und mir ist klar, dass das irre klingt, aber du hast keine Ahnung, wie meine Leben sind.«
    » Dann erzähl es mir.«
    » Warum?«, sagte ich leise. » Das spielt keine Rolle mehr.«
    Er zog eine Augenbraue nach oben. » Bevorzugst du dein anderes Leben?«
    Ich sah ihn an und versuchte herauszufinden, welchen Standpunkt er einnahm.
    » Schätze, alles ist ziemlich gut dort«, fuhr er fort.
    » Nein. Genau genommen ist dort auch alles schwierig.«
    » Hast du dort auch eine Schwester? Wie heißt deine Schwester hier, in diesem Leben?«
    Ich kniff die Augen zusammen. » Maddie«, sagte ich und konnte meine Gewissensbisse nicht unterdrücken. » Und nein, ich habe zwei Brüder. Ryan und Lucas.«
    Er musterte mich und suchte zweifellos nach verräterischen Zeichen dafür, dass ich verrückt war.
    Ich schnaubte. Irgendetwas an diesem Kerl ging mir unter die Haut. » Wie auch immer«, sagte ich, weil ich wusste, dass ich mich auf gefährlichem Terrain bewegte. » Also gut, Ethan, dann hol mal deinen Stift raus.«
    Er tat es nicht, aber ich redete trotzdem weiter. Ich weiß nicht, warum, aber als ich erst mal den Mund aufgemacht hatte, schien ich nicht mehr aufhören zu können. Ich erzählte ihm, wie der Wechsel funktionierte. Wie es war, jeden Tag zweimal erleben zu müssen, jedes Schuljahr; zu wissen, dass ich in gewisser Hinsicht fast so alt war wie meine Eltern. Das alles kam einfach aus mir heraus. Als der verbale Anfall vorüber war und er ein paar Sekunden Zeit gehabt hatte, seinen Schock zu verdauen, beugte er sich weiter zu mir vor.
    » Und niemand kann das jemals mit Gewissheit erfahren? Man kann deinen ›Wechsel‹, wie du es nennst, nicht sehen?«
    Ich seufzte. Das war alles, worauf es ankam – Beweise, die über jeglichen Zweifel erhaben waren. » Du warst letzte Nacht bei mir. Was glaubst du?«
    Seine Augen wurden groß. » Woher weißt du, dass ich um Mitternacht bei dir war? Du warst betäubt.«
    Ich dachte an die Hand, die die meine gehalten hatte, die sich irgendwie wie ein Anker angefühlt hatte. » Ich … ich weiß nicht. Ich dachte nur … ich dachte, ich hätte gespürt, dass jemand meine Hand gehalten hat, als ich wieder zurückwechselte. Mein Geist war ein paar Sekunden lang wach, bevor die Medikamente mich wieder im Griff hatten. Es ist schwierig zu erklären. Ich habe noch nicht mal …«
    Er biss sich auf die Unterlippe. Wieder war ich wie gebannt und starrte auf seinen vollen Mund, beobachtete die Art und Weise, wie seine Zähne die Lippe langsam wieder an Ort und Stelle rücken ließen.
    » Und was hast du gestern in deiner anderen Welt gemacht?«, fragte er.
    » Ich war zum Mittagessen in einem Restaurant und dann im Kino. Ich habe mit dem französischen Kellner geplaudert – es hat ihm Spaß gemacht, mit jemandem auf Französisch sprechen zu können – danach hat Dex mich nach Hause gefahren. Ich habe mit Mom zu Abend gegessen und mich am Telefon mit meinen Freundinnen unterhalten. Das war so ziemlich alles. Ehrlich gesagt, war es einfach schön, nicht festgeschnallt und betäubt zu sein.«
    Er ließ mir den Seitenhieb durchgehen. » Du kannst Französisch?«
    » Ja. Ich habe es in meinem anderen Leben gelernt. Ich spreche es dort fließend.«
    Er nickte langsam. » Aber hier nicht.«
    Frustriert zogen sich meine Augenbrauen zusammen. » Natürlich kann ich es hier sprechen, aber das tue ich nicht, weil ich es in diesem Leben nie gelernt habe. Es wäre doch verrückt, wenn ich eines Tages einfach auf Französisch losplappern würde.«
    » Klar«, sagte er, seine Miene war ungläubig.
    Langsam reichte es mir. » Mein Gedächtnis begleitet mich, Ethan.« Und zum ersten Mal begann ich, in meinem Roxbury-Leben eine andere Sprache zu sprechen. » Si vous voulez que je parle le français pour vous le prouver à vous, je peux parler toute la journée. Et pendant que j’y suis, je n’ai aucune idée pourquoi je ne peux pas cesser de regarder vos lèvres!« Mein Französisch war perfekt. Das konnte man nicht vortäuschen.
    Ethan war sprachlos. » Was

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