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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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… Was hast du da gerade gesagt?«
    Ich zuckte mit den Achseln. » Nur dass ich den ganzen Tag Französisch sprechen kann, wenn das notwendig ist, um es dir zu beweisen.« Ich fügte nicht hinzu, dass ich außerdem gesagt hatte, dass ich nicht wusste, weshalb ich nicht aufhören konnte, auf seine Lippen zu glotzen.
    Wieder legte er den Kopf schief, als würde er versuchen, aus mir schlau zu werden. Plötzlich war ich verlegen, weil ich mich fragte, ob er wusste, dass ich nicht alles übersetzt hatte.
    Während er im Zimmer auf und ab ging, wurde mir klar, dass der Kellner im Le Bon Gout recht gehabt hatte. Wenn man eine Sprache konnte, konnte man sie wirklich überallhin mitnehmen.
    » Wenn du das kannst, kannst du dann auch die Lottozahlen aus der einen Welt mitnehmen und rechtzeitig in die andere bringen, um zu gewinnen? Oder … eine Katastrophe verändern – einen Autounfall verhindern oder so?« Sein Tonfall war noch immer zweifelnd, als würde er mich nur bei Laune halten wollen, aber ich war mir sicher, mehr herausgehört zu haben, ein neu erwachtes Interesse.
    Ich schüttelte den Kopf und merkte, wie sehr mir meine Sehkraft jetzt Streiche spielte. Unauffällig streckte ich meine Hand aus und bemerkte das Zittern. Das Digoxin verteilte sich gerade in meinem System.
    » Sabine?«, sagte Ethan.
    » Oh nein, so ist es nicht. Keine Schnell-zu-Geld-kommen-Vorteile oder Superhelden-Möglichkeiten. Es gibt Kreuzungspunkte, aber jede Welt ist anders. Die einzigen Dinge, bei denen man sich voll und ganz darauf verlassen kann, dass sie gleich bleiben, sind Sprache, Mathe, Materie, Chemikalien – solche Dinge.«
    » Wetter?«, schlug er vor.
    » Jahreszeiten, aber nicht die tägliche Wettervorhersage.«
    » Orte, Gebäude?«
    » Sind oft ähnlich, aber leicht verändert. Was für mich einen Sinn ergibt, weil ich glaube, dass es andere Leute sind, die darin wohnen oder arbeiten.«
    Ethan sah mich seltsam an. » Du lallst, Sabine.«
    Ich spannte mich an, aber er hatte recht. Die Dinge fingen an, mir zu entgleiten, und mir wurde zunehmend übel. Ich schloss die Augen und schluckte, wobei ich versuchte, meinen Magen dazu zu zwingen, das Medikament bei sich zu behalten. Als ich sie wieder öffnete, hatte das Licht im Zimmer einen Gelbstich. Ich blickte nach oben; das kleine Licht an der Decke war jetzt von einem Heiligenschein umgeben.
    » Sabine?«, drängte Ethan.
    » Bin wohl müde«, sagte ich, wobei ich jedes Wort sorgfältig aussprach.
    » Soll ich gehen?«
    » Ähm … vielleicht lieber nicht.«
    Er nickte und sah besorgt und erleichtert zugleich aus.
    Mir fiel auf, dass ich mich jedes Mal, wenn sich seine Zähne auf seine Unterlippe senkten, fragte, wie sich diese Lippen wohl auf meinen anfühlen würden, und dafür schalt ich mich innerlich.
    » Hast du es immer gehasst?«, fragte er.
    » Es ist nie leicht gewesen. Am Anfang, als ich noch ein Kind war, habe ich gar nicht gewusst, dass das nicht jedem passiert. Dann, als ich allmählich verstand, bekam ich einfach nur … Angst. Ich dachte, ich hätte etwas falsch gemacht, und wollte es niemandem erzählen. Schließlich lernte ich, dass es keine Möglichkeit gab, es zu steuern, deshalb habe ich angefangen, damit zu leben. Ich habe gelernt, in jeder Welt so zu sein, wie man es von mir erwartete, und die Person, die ich in der anderen Welt war, zu vergessen.«
    » Klingt schwierig.«
    Ich nickte. » Ich habe mich daran gewöhnt. Ich hatte geglaubt, es gäbe keine andere Möglichkeit. Bis jetzt.«
    » Weil jetzt das Körperliche nicht mehr zwischen den Welten hin und her wandert?«, sagte er; und wieder blitzte Ungläubigkeit auf.
    Meine Sicht wurde immer schlechter; und ich musste ein paarmal die Augen schließen, um wieder klar sehen zu können. » Wie spät ist es?«
    » Etwa zwanzig vor zwölf. Du schwitzt, Sabine«, sagte er und rückte näher.
    » Heiß«, erwiderte ich, doch mein Herz hämmerte und ich fühlte mich allmählich atemlos.
    Ethan beobachtete mich, aber ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.
    » Lass es einfach dabei bewenden, Ethan. Nichts von dem, was ich sage, wird dich überzeugen. Ich kann keine Dinge auf magische Weise mitnehmen oder die Zukunft vorhersehen. Alles, was ich habe, sind meine Erinnerungen, und mich. Wenn dir das nicht weiterhilft, stecken wir in einer Sackgasse.«
    Er lächelte. » Wie wär’s, wenn du um Mitternacht, also in«, er blickte auf die Uhr, » siebzehn Minuten zurückkommst und mir sagst, wie man ›Ich heiße

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